Auf
vielfaeltige Weise bin ich mittlerweile selbst mit den Strukturen schwuler
"Subkultur" und politischer "Schwulenbewegung" verbunden.
Ein Studienaufenthalt an der Universtity of California at Los Angeles (UCLA)
1994 vermittelte mir nicht nur einen neuen Wissenschaftsbegriff ("Learn the
concepts and forget about where they came from. [...] Try to integrate
everything into a whole structure.")[1], sondern
auch neue Perspektiven auf die deutsche Gesellschaft und nicht zuletzt auch auf
meine eigene Identitaet: An der UCLA ging Evelyn Hooker[2] bereits in den sechziger Jahren den Forschungen nach, die
spaeter zur Streichung von "Homosexualitaet" aus dem Krankheitsregister der WHO
fuehrten.
Nach meiner Rueckkehr aus den USA wurde ich schliesslich durch verschiedene
Veranstaltungen im Rahmen der mehrfach durch den damaligen Schwulenreferenten
der Universitaet Gesamthochschule Essen, Werner Breitzke, ausgerichteten
"Essener Schwulenhochschultage" auf die politische Dimension meines schwulen
Lebens aufmerksam gemacht. Eine der ersten Diskussionen, die ich als
engagierter Teilnehmer erlebte, war ein offenes Streitgespraech zwischen einem
Lokalredakteur der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), Herrn Kai
Sueselbeck, sowie Vertretern der schwulen Presse und schwuler Verbaende, das
Anfang September 1995 - leider ergebnislos - in den Raeumen von Buendis90/Die
Gruenen in Essen abgehalten wurde.
Angeregt durch die hilflose Arroganz und die Verstaendnislosigkeit des
WAZ-Redakteurs, der damals nicht davon zu ueberzeugen war, dass ueber die
Vielfalt schwulen Lebens nicht nur in Kriminalreportagen und mit Aussagen wie
"im Homosexuellenmillieu" zu berichten sei, fand ich mich in den naechsten
Wochen auf immer mehr Veranstaltungen dieser Art wieder.
Wenige Monate darauf wurde ich zum Oeffentlichkeitsreferenten des "CSD RUHR
'96" ernannt, welcher die Tradition des jaehrlich weltweit im Juni in
Erinnerung an den Beginnn der modernen Schwulenbewegung begangenen
schwul-lesbischen Gedenktages nun auch fuer das ganze Ruhrgebiet aufleben
lassen wollte. Neben meinen Qualifikationen als Mitinhaber einer Werbeagentur
war fuer diese Ernennung aber wohl ebenso ausschlaggebend, dass ich fuer die
meisten Mitglieder der inzestuoesen Schwulenbewegung ein bis dato vollkommen
unbeschriebenes Blatt war.
Der CSD Ruhr '96 in Dortmund wurde mit ca. 2.000 Teilnehmern und
Teilnehmerinnen des Demonstrationszuges ein beachtlicher Erfolg. Ich wurde
daraufhin Vorstandsmitglied des nun entstehenden CSD-Vereins "Queer im Revier"
und zugleich Oeffentlichkeitsreferent des CSD Ruhr '97, und in dieser Funktion
nahm ich erneut an zahlreichen persoenlichen Eroerterungen, regionalen
Diskussionen, nationalen Kongressen und einer internationalen Konferenz der
"Schwulenbewegung" teil.
In der Arbeit als Referent blieb eine Beschaeftigung mit der historischen
Situation der Lesben und Schwulen und der "Schwulenbewegung" nicht aus, doch
vieles wurde mir damals durch persoenliche Gespraeche mit frueheren "Kaempfern"
oder auf Kongressen vermittelt, so dass ich ein Teil des kollektiven
Gedaechtnisses der Schwulenbewegung wurde. Dass dieses Gedaechtnis nicht
einwandfrei, sondern in Teilen sogar aeusserst selektiv funktioniert, habe ich
bei den Recherchen zu dieser Arbeit feststellen muessen.
Wohl auch deshalb habe ich nach dem Anfang 1997 erfolgten Ruecktritt aus meinen
Aemtern eine durchaus kritische Sichtweise auf die Strukturen und Ziele der
deutschen "Schwulenbewegung" gewonnen und auch oeffentlich manifestiert; eine
Sichtweise, die in wissenschaftlicher Hinsicht positive Auswirkungen auf die
vorliegende Arbeit haben sollte.
Im 100jaehrigen Jubilaeumsjahr der deutschen "Schwulenbewegung" gibt es
eigentlich nicht viel zu feiern, denn einiges hat sich in den Gesetzbuechern,
aber noch zu wenig in den Koepfen geaendert. Und ich bin mir der Gefahren
durchaus bewusst, die mit der Veroeffentlichung der inneren
Kommunikationsstrukturen einer in der Vergangenheit gerade in diesem Land zum
Teil brutal verfolgten Minderheit verbunden sein koennen:
Seit einhundert Jahren gibt es in Deutschland eine mehr oder minder organisierte "Schwulenbewegung", die als Identitaetsstifter und Sprachrohr der homosexuellen Minderheit dient. Es liegt die Vermutung nahe, dass sich im Laufe der Zeit spezifische kommunikative Strukturen der "subkulturellen" Verstaendigung mit eigenen Kommunikationsformen und Kommunikationsmitteln herausgebildet haben. Solche Strukturen aufzuspueren und ihre verschiedenen kommunikativen Dimensionen in ihrer Bedeutung fuer den "mundus homosexualis" im allgemeinen und fuer die heutige "Schwulenbewegung" im besonderen darzustellen, soll das Anliegen der vorliegenden Arbeit sein.
Die
vorliegende Arbeit bewegt sich im theoretischen Rahmen einer "Ethnographie der
Kommunikation"[5], in der Erkenntnisse aus
Anthropologie, Soziologie, Linguistik, Sozialpsychologie und weiteren
Wissenschaftsbereichen zusammengefuehrt werden. Ziel ist es, in einer
umfassenden "Anthropologie der Kommunikation" Kommunikation als ein allgemeines
und zentrales Phaenomen in Kultur und Gesellschaft deskriptiv zu erfassen.[6] Dabei baut die "Ethnographie der Kommunikation"
auf den Grundlagen der der allgemeinen Voelkerkunde auf:
Aufgabe
dieser Arbeit ist somit das Erstellen einer "Ethnographie" der Schwulenbewegung
als Teil der schwulen Untergruppe der Gesellschaft. Bei der Erstellung einer
solchen "Ethnographie", die hier als Beobachtungsbericht durch einen
teilnehmenden Beobachter definiert werden soll, stellt sich das Problem des
"Beobachterparadoxons", indem die beobachtete Gruppe oder Teilgruppe durch den
Beobachter beeinflusst wird. Darueber hinaus stellt jeder Beobachtungsbericht
bereits eine Interpration der realen Ereignisse durch den Beobachter dar:
Das
Thema dieser Arbeit setzt zweierlei voraus: Zum einen, dass es kommunikative
Strukturen innerhalb einer schwulen Subkultur gibt, die von der politischen
Schwulenbewegung genutzt werden. Zum anderen aber auch, dass ueberhaupt eine
schwule Subkultur existiert. Aus verschiedenen Gruenden ist diese auf den
ersten Blick einfache Fragestellung alles andere als einfach zu beantworten;
und zum anderen schimmert hierin bereist ein Teil des Wettstreites zwischen dem
emanzipatorischen und dem integrativen Ansatz schwuler Bewegungsarbeit hervor,
auf den spaeter noch einzgehen sein wird.
Die
"Schwulenbewegung" in Deutschland ist aeusserst heterogen in ihrer
sozio-demographischen Zusammensetzung (Herkunft, Alter, Schicht, Ausildung,
Beruf etc.) und in ihrer Zielformulierung ("schwule Ehe jetzt" gegen
"patriarchalische Institution Ehe ganz abschaffen"); spricht man von einer
gemeinsamen "Lesben- und Schwulenbewegung", spricht man letztlich sogar von
einem staendigen Kampf: Zu gering ist offenbar die Gemeinsamkeit des
empfundenen sozialen "Stigmas" der Homosexualitaet, zu verschieden die
Ansichten der radikalen emanzipatorischen und feministischen Ansaetze
gegenueber integrativen Ansaetzen der Bewegung.
Diese Zustandsbeschreibung gilt nicht etwa nur fuer die neuere
Schwulenbewegung, die 1969 in der Folge der "Stonewall Riots" in New York, der
sexuellen Befreiung nach Woodstock und der Studentenunruhen in Deutschland
entstand und schon 1974 mit dem Berliner "Tuntenstreit"[49] ihrem vorzeitigen Ende nahe war, sondern sie gilt bereits
fuer die Zeit der ersten schwulen Emanzipationsbewegung, wo sich Anfang des
Jahrhunderts die Mitglieder des progressiven "Wissenschaftlich-Humanitaeren
Komitees" (WhK) mit den Angehoerigen der auf Maennlichkeit erpichten, 1903
abgespaltenen Gegenorganisation der "Gemeinschaft der Eigenen" (GdE) und des
"Bundes fuer Menschenrechte" (BfM) darum zankten, wer mehr fuer die Toleranz
gegenueber Homosexuellen im Gesetz und in der Gesellschaft leisten koenne,
obwohl alle drei Organisationen in einem gemeinsamen Aktionskomitee
zusammengeschlossen waren.[50]
"Glueck steht gegen Entfremdung und Depersonalisierung in funktionsgerechten
Systemen - es ist das, worauf Emanzipation zielt"[51], aber es ist nicht zu uebersehen, dass auch die
Emanzipation selbst zur Entfremdung beitragen kann, wenn man sich nur noch
ueber einen Teilbereich seiner Identitaet, naemlich die Homosexualitaet,
definiert, und diese zur Grundlage einer Gegenkultur zu machen versucht.
Lautmann geht sehr differenziert auf diese Problematik ein:
Im
klassischen Altertum[60] war Homo- und
Bisexualitaet eine ueberall verbreitete und tolerierte sexuelle Praxis. Die
Durchsetzung eines christlich gepraegten, allein auf die Fortpflanzung
bezogenen Sexualverstaendnisses, das sich von alters her mit im Krieg geborenen
Begriffen wie "Volkskraft" und "Volksgesundheit" paarte, brachte die Minderheit
der Homosexuellen ueberhaupt erst hervor. Im Jahre 326 erklaerte schliesslich
der zum christlichen Glauben konvertierte roemische Kaiser Konstantin
Homosexualitaet erstmals zum Verbrechen.
Unter den Begriff der "Sodomie" gefasst, ging Homosexualitaet 1532 auch in das
erste deutsche Reichsstrafgesetzbuch, die "Peinliche Halsgerichtsordnung"
Kaiser Karls V. ein.
Allmaehlich gewann die Aufklaerung an Einfluss auch auf die Gesetzgebung, wie
sich erstmals in einem 1764 in einem Gesetzeskommentar zeigt: Homosexualitaet
gelte nicht als Verbrechen, "weil es niemandem das Seinige entzieht und nicht
aus betruegerischem, boshaften Herzen entspringt, noch die buergerliche Ordnung
zerruettet." Entsprechend legalisierte der "Code Napoléon" der
Franzoesichen Revolution 1810 die Homosexualitaet erstmals ausdruecklich, und
in den deutschen Laendern ging Bayern 1813 von der Todesstrafe unmittelbar zur
voelligen Straflosigkeit ueber. Dem folgten Wuertemberg 1839, Braunschweig und
Hannover 1840; andere Laender reduzierten das Strafmass deutlich und machten es
von der Erregung oeffentlichen Aergernisses abhaengig.
Schon bald darauf verfiel die Aufklaerung jedoch auf den Begriff des
"Naturgesetzes"[61], der erneut die
Fortpflanzungssexualitaet als Normalfall propagierte. Nun wurde die
Homosexualitaet allerdings nicht mehr als Suende, sondern als koerperliche bzw.
geistige Krankheit angesehen; und im Namen der Medizin wurden verschiedene, zum
Teil grausame, aber letzlich immer erfolglose Versuche einer "Heilung"
unternommen. Obwohl Homosexualitaet also als Krankheit angesehen wurde, kam es
zu einer Verschaerfung der Sittengesetze, mit denen schliesslich jegliche Form
ausserehelicher Sexualitaet sanktioniert wurde.
In seiner 1864 veroeffentlichten Schrift "Vindex. Social-juristische Studien
ueber mannmaennliche Geschlechtsliebe" forderte der selbst homosexuelle Jurist
und Privatgelehrte Dr. Karl Heinrich Ulrich erstmals die Homosexuellen auf,
sich zu organisieren und fuer ihre Buergerrechte zu kaempfen.
Mit
der Einfuehrung des einheitlichen Reichsstrafgesetzbuches[62] 1871 wurde mit dem Paragraphen 175 RStGB in vielen der
Deutschen Laender die "homosexuelle Unzucht" zwischen Maennern wieder zum
Straftatbestand.
In den folgenden Jahren sahen sich homosexuelle Maenner daher zunaechst
gezwungen, sich in einer eigens etablierten und sich staendig wandelnden
Subkultur zu treffen, um den Uebergriffen der Schutzpolizei in der
Oeffentlichkeit so gut wie moeglich zu entgehen; Anonymitaet und Dunkelheit
sowie schnelles Kommen und Gehen war fuer die Orte der Subkultur, wie
oeffentliche Beduerfnisanstalten, Parks, eine wichtige Voraussetzung.[63] Fuer viele, die sich in dieser Zeit ihrer
Homosexualitaet bewusst wurden, stellte sich nur die Alternative zwischen
Selbstmord und Subkultur. Hatten sie sich fuer die Subkultur entschieden,
setzten ihnen oft "Rupfer" und "Chanteure" zu, die als Erpresser vor dem
Hintergrund der geltenden Strafgesetzgebung kaum behindert ihr Geld
verdienten.
Abgesehen von dieser Subkultur spielte sich das Leben der Homosexuellen in
privaten Zirkeln ab, die ein Gefuehl sozialer Sicherheit vermittelten.
Politische Gespraeche wurden vermieden, weil damit die feindlichen Umwelt in
das selbstgeschaffene, aber immer instabile Idyll eingebrochen waere. Eine
organisierte Vertretung der eigenen sozialen und politischen Interessen fand
vor diesem Hintergrund der Geheimhaltung und Verdraengung auch nach den
Aufrufen Karl Heinrich Ulrichs nicht statt.
In der preussischen Weltstadt Berlin gab es allerdings bereits um die
Jahrhundertwende sogenannte "Urningbaelle"[64]
mit bis zu tausend, zum Teil schrill kostuemierten Besuchern. Das Verbot des
gemeinsamen Tanzens zweier Maenner wurde stillschweigend ausser Kraft gesetzt,
allerdings standen die Spektakel unter Beobachtung von Geheimpolizisten, die
dafuer zu sorgen hatten, dass nichts "Unschickliches" passierte.
Als weitere Moeglichkeit der Kontaktaufnahme dienten eindeutig-zweideutig
formulierte Zeitungsannoncen.
Erst die am 15. Mai 1897 durch den Arzt und spaeteren Sexualwissenschaftler
Magnus Hirschfeld in Berlin-Charlottenburg unter dem Motto "weder Krankheit
noch Verbrechen" vorgenommene Gruendung des "Wissenschaftlich-humanitaeren
Komitees" (WhK) aenderte etwas an dieser entpolitisierten Situation: Die
Gruendung des WhK gilt weltweit als Geburtsstunde einer ersten
"Schwulenbewegung". Bis 1905 wuchs das WhK auf einen Mitgliederstamm von 408
Personen an, die sich entsprechend der Satzung ueberwiegend aus
naturwissenschaftlichen und juristischen Akademikern rekrutierten.
In einer Zeit, in der das Phaenomen "Homosexualitaet" von verschiedenen
Wissenschaftsdisziplinen mit unterschiedlichen Ergebnissen beschrieben und
analysiert wurde, leistete Hirschfeld mit seinen Untersuchungen an dem von ihm
1919 ebenfalls in Berlin gegruendeten "Institut fuer Sexualwissenschaft"[65] damals einen entscheidenden systematischen
Beitrag gegen eine Pathologisierung der Homosexualitaet in Deutschland: Es
wurde erstmals dargestellt, dass es sich bei Homosexualitaet weder um eine
physische noch um eine psychische Erkrankung handelte.
Primaer richtete sich der Kampf jedoch auf eine Abschaffung des Paragraphen
175. Immer wieder schwenkte die oeffentliche Meinung um, wenn man sich dem Ziel
einer Liberalisierung des Strafrechts gerade besonders nahe sah: Verschiedene
Affaeren in den hoechsten politischen Kreisen und die damit einhergehende
politische Instrumentalisierung der Homosexualitaet machten die Bemuehungen
immer wieder zunichte. Militante Stroemungen innerhalb der homosexuellen
Buergerrechtsbewegung forderte daher, endlich den "Weg ueber Leichen" zu gehen
und hochgestellte Persoenlichkeiten zu "outen"[66].
Hirschfeld und das WhK hingegen gingen weiter den Weg wissenschaftlicher
Aufarbeitung und unermuedlicher Aufklaerungsarbeit. "Broschueren und
Aufklaerungsschriften wurden zu Hunderttausenden an die Presse, an saemtliche
deutsche Justizministereien, Staatsanwaelte, Richter, Anwaltskammern,
Rechtsanwaelte, Aerzte, Universitaetsprofessoren", Geistliche und Lehrer
verschickt. Doch vor einer Abstimmung ueber das neue Strafrecht verlor
Deutschland den Ersten Weltkrieg, die politische Situation aenderte sich voellig.
In
dem gesellschaftlich liberalen Klima, das sich in den zwanziger Jahren durch
die neuen Rahmenbedingungen der Weimarer Republik entstand,[67] entwickelte sich in den Metropolen und Grossstaedten eine
relativ offene homosexuelle Szene und sogenannte "Freundschaftsvereine". In
Berlin hielten auch viele namhafte Kuenstlerinnen und Kuenstler, darunter
Marlene Dietrich, sowie Geschaeftsleute und Politiker ihre Neigungen nicht
verborgen, sondern lebten sie offen, zuweilen drastisch aus.
Der homosexuelle "Bund fuer Menschenrechte" (BfM) gab die Verbandszeitung
"Blaetter fuer Menschenrecht" heraus, erste homosexuelle Zeitschriften wie die
"Freundesliebe" in Berlin waren an Kiosken frei kaeuflich und veroeffentlichten
unter anderem Kontaktanzeigen; eine Fuelle von homosexuellen Tanzlokale und
-veranstaltungen wurden ueberall im Land ins Leben gerufen, homosexuelle Romane
veroeffentlicht.
Auch ein ganz neues Medium wurde fuer die Bewegung genutzt: Richard Oswald
drehte 1919 den ersten Film mit homosexueller Thematik, "Anders als die
Anderen", der zwar nur sehnsuechtige Blicke zeigte, aber dennoch wegen
"Verherrlichung der Homosexualitaet" angegriffen wurde und letztlich wohl zur
Wiedereinfuehrung der Zensur in die Verfassung beitrug.
Die drei grossen Verbaende, WhK, BfM und GdE, schlossen sich 1923 zusammen, um
gemeinsam gegen die Abschaffung des Pragraphen 175 zu kaempfen. Der BfM
verfuegte bald ueber eine breite Mitgliederbasis in der Bevoelkerung, auch
Ernst Roehm, der spaetere SA-Chef, war Mitglied des BfM. Doch schon bald
scheiterte dieses Buendnis am ersten "Tuntenstreit" der Schwulenbewegung und
zerbrach trotz des gemeinsamen Ziels.
Und noch ganz andere Ereignisse werfen ihren Schatten voraus: Hirschfeld wird
zunehmend mit antijuedischen Parolen angegriffen, das Strafrecht im Bezug auf
die Homosexualitaet mit einer voelkischen Begruendung nicht liberalisiert,
sondern verschaerft: die "generative Volkskraft" muesse unter allen Umstaenden
erhalten werden.
Zunaechst
duldete Hitler sogar offen schwule Schergen in seinem Fuehrungskader.[68] Doch in der Folge des zweiten sogenannten
"Roehm-Putsches" wurde gegen maennliche Homosexuelle als "Rassenschaender" und
"Staatsfeinde" politisiert, was vor allem Roehm selber schaden sollte. Der
Par. 175 RStGB wurde durch den Par. 175a RStGB ergaenzt und
verschaerft; nun konnte jeder verhaftet werden, der nur in den Verdacht geriet,
homosexuell veranlagt zu sein, selbst wenn er nie homosexuelle Handlungen
ausgefuehrt hatte.
In den folgenden Jahren wurden Homosexuelle durch das allgemeine System der
Gestapo-Spitzel und mit der Hilfe zahlreicher Denunzianten systematisch
erfasst. 1933 wurde das Institut fuer Sexualforschung durch die Nazis
zerstoert,[69] eine Verhaftungswelle und ab
1936 auch grossangelegte Razzien setzten ein.
Erfasste Homosexuelle wurden "behandelt", mit chemischen und physikalischen
Verfahren, mit Kastration und Zwangssterilisation. Spaeter wurden - die genauen
Zahlen sind nicht zu rekonstruieren - vermutlich mehr als zehntausend
Homosexuelle auch in Konzantrationslager verbracht. Dort erhielt ihre Kleidung
den "Rosa Winkel", der sie in die unterste aller Haeftlingskategorien
einstufte.[70]
Homosexuelle Treffpunkte gab es nicht mehr, Kontakte wurden aeusserst
vorsichtig gepflegt, Adress- und Notizbuecher vorsorglich vernichtet. Die
Homosexuellenbewegung hatte - nur wenige Jahre, nachdem sie wohl auf ueber
einhunderttausend Mitglieder angewachsen war - aufgehoert zu existieren.
Auch
nach dem Krieg blieb der unter den Nazis als Paragraph 175a StGB verschaerfte
"Homosexuellenparagraph" in der Bundesrepublik unveraendert in Kraft.[71]
Die Anbahnung schwuler Sexualkontakte fand natuerlich dennoch immer statt. Als
bevorzugte Moeglichkeit hatten sich wiederum oeffentliche Beduerfnisanstalten
erwiesen,[72] in denen man mit entbloesstem
Glied vor der Urinierrinne stand, bis ein anderer Mann nach langem Ritual, das
schon vor der Beduerfnisanstalt mit Blickkontakten begonnen haben konnte,
eventuell Kontakt aufnahm. Der Sexualkontakt fand dann entweder vor Ort in den
Toilettenkabinen oder in einer Privatwohnung statt. Doch auch diese Form bot
keine Sicherheit: Polizeispitzel warben selbst um andere Maenner, um sie dann
zu ueberfuehren, oder lauerten hinter halbdurchlaessigen Spiegeln. Insgesamt
wurden in der Adenauer-Aera mehr Verhaftungen "nach 175" durchgefuehrt als
unter der Nazi-Diktatur.
Auch
wenn es einige versteckte Ansaetze bereits vorher gab, so war es doch erst nach
der Gesetzesnovelle von 1969 ueberhaupt wieder moeglich, dass sich Homosexuelle
offen zu Gruppen und Organisationen zusammenschlossen.
Zu den weiteren Anstoessen der neueren Schwulenbewegung gehoerten die
Studentenrevolte von 1968, die unter anderem auch die freie Liebe propagierte,
und die "Stonewall Riots", die 1969 in den USA in die Geschichte eingingen.[75]
Die "Stonewall Riots", in deren Gedenken alljaehrlich die "Christopher Street
Days" und "Pride Marches" durchgefuehrt werden, gelten als Geburtsstunde der
internationalen Schwulenbewegung.
In
der Bundesrepublik entstand in den siebziger Jahren (vornehmlich in den
groesseren Staedten) eine neue, mehr oder weniger offen zugaengliche schwule
Subkultur mit Treffs, Buchlaeden, Kneipen, Selbsthilfe-, Theater- und
Filmgruppen. Diese Subkultur war raeumlich, personell und damit oft genug auch
ideologisch einem linken, oft studentischen und anarchistischen Umfeld
zuzurechnen.
Die direkte, personale Kommunikation in den Treffs stand im Vordergrund, und es
ist aeusserst schwer, hier eine Trennlinie zwischen Selbsthilfegruppe,
Partnerwahl und politischer Aktion zu ziehen: Wichtig war es vor allem, im
Gespraech mit anderen ein eigenes Selbstwertgefuehl zu entwickeln. Hatte man
dieses erst erreicht, konnte man auch nach aussen hin fordernd und provokant
auftreten.[76]
In
den achtziger Jahren stieg der Organisationsgrad der schwulen Bewegung deutlich
an, die Arbeit wurde politischer. Aber die Republik befand sich ohnehin im
Umbruch, etwa durch die aufkommende Anti-AKW-Bewegung.[77] Es gruendete sich schliesslich der "Bundesverband
Homosexualitaet e.V." (BVH) in Berlin als Dachorganisation der vielen lokalen
Schwulengruppen. Durch die eintretende Vernetzung und den zunehmenden
Informations- und Erfahrungsaustausch hatte die politische Schwulenbewegung nun
eine erstmals eine uebergreifende Struktur, die sie fuer ihren Kampf gegen die
ihnen feindliche Gesellschaftsordnung ruestete. Doch die AIDS-Krise gefaehrdete
diese gerade zusammengewachsenen Strukturen:
Von
den Medien werden - zur spaeten Mitte des Jahrzehnts - die schwulen 90er Jahre
ausgerufen:
Die
nonverbale, also nichtsprachliche Kommunikation umfasst alle bewusst oder
unbewusst ausgesandten Signale, die in einer Interaktion zur
Verhaltensabstimmung oder -beeinflussung anderer Personen eingesetzt oder
entsprechend aufgefasst werden koennen. Darunter fallen prosodische
(stimmliche, aber nicht sprachliche) Merkmale, paralingusitische (Gesten,
Blicke, Laecheln), welche die muendliche Rede einleiten, begleiten, steuern,
beenden oder ersetzen koennen und zu denen auch das Arsenal der Kinethics
(Koerpersprache) und Proxemic (Distanzregeln) hinzuzurechnen ist; ausserdem
verweisende (indexikalische) oder abbildhafte Zeichen (Ikone) sowie abstrakte
Zeichen (Symbole), die ihre Bedeutung nur durch entsprechende Konvention
innerhalb der spezifischen Interaktionsgemeinschaft erhalten.[84]
Die meisten der genannten nonverbalen Kommunikationsmittel werden in der
Face-to-face-Kommunikation wahrgenommen, doch koennen etwa prosodische Signale
auch am Telefon eingesetzt und interpretiert werden, Gesten auch in medialer
Vermittlung wie im Fernsehen. Daher soll der Bereich der nonverbalen
Kommunikation zunaechst gesondert dargestellt werden.
Durch
die Jahre und Jahrzehnte hinweg wurden immer wieder spezifische
Erkennungszeichen unter Schwulen konventionalisiert, doch als verlaessliches
Unterscheidungsmerkmal konnten die meistens nur relativ kurze Zeit gelten. Die
Zeichenentwicklung war dabei stets gepraegt von zwei gegensaetzlichen Polen:
Einerseits benoetigte man Zeichen, um sich den Mitgliedern der eigenen
subkulturellen Gruppe - etwa in Parks, Cafés oder an anderen
Treffpunkten - zu erkennen zu geben und so aus der persoenlichen Isolation
auszubrechen, andererseits stellten die verwendeten Zeichen immer auch einen
Anhaltspunkt fuer Verfolgungen und taetliche Uebergriffe dar, so dass sie
oftmals sehr subtil ausgefallen sind. Heute ist man beinahe veraergert, dass
infolge schnellebiger Moden[85], medialer
Vermarktung und der resultierenden Entwertung der Zeichen[86] und der gerade in den schwulen Szenen beheimateten
Trendscouts[87] kein aeusseres Merkmal lange
als abgrenzendes und damit identitaetsstiftendes Zeichen Bestand hat.
In der Zeit nach 1970 gab es unter anderem folgende Zeichen: Feminine,
hueftbetonte Kleidung; feine College-Klamotten; weisse Jeanshosen; Lederkluft;
lange Haare, die oft zum Zopf gebunden waren; spaeter kuerzere gefaerbe und
gefoente Haare (noch heute ist der Begriff von der "Foenhusche" fuer einen
etwas kuenstlich erscheinenden Menschen gebraeuchlich), dann ganz besonders
kurze Haare ("crew cut"); auffaellige Koteletten; karierte Hemden, die durch
ihre Farben zum Teil sogar die jeweiligen sexuellen Vorlieben zeigten;[88] den beruehmten Ohrring oder Brillianten im
rechten Ohr, der in Grossbritannien immer links getragen wurde, in den USA aber
wieder rechts, und der spaetestens seit der deutschen Wiedervereinigung
aufgrund unterschiedlicher Zeichenkonventionen keinen verlaesslichen
Anhaltspunkt mehr bietet.
Mit der zunehmenden Emanzipation und der Identitaetsstiftung durch die
"Gay-Pride"-Bewegung, die durch die Aids-Hilfen zusaetzlich unterstuetzt wurde,
kamen zu Beginn der 80er Jahre auch Zeichen auf, die neben der Innenwirkung
bewusst auch eine Aussenwirkung aufbauten. In einer 1983 zusammengestellten
Beschreibung von 16 "Studententypen" findet sich nun auch der "Gay Libber" (von
engl.: liberty):
"Der
Blick ist eines der haeufigsten und wirksamsten nonverbalen Signale",[92] und der Blick wird sogar "als die
herausragendste aller menschlichen Verhaltensagenturen"[93] gesehen. "Die visuelle Balance (wer wen wann und wie oft
ansieht) wird bestimmt von Geschlecht, Status, Vertrautheit der Partner und
Natur der Interaktion."[94] Sowohl ein Zuviel
wie auch ein Zuwenig an Blickzuwendung wirkt irritierend auf die
Interaktionsbeteiligten.[95] Unangemessen
langes Anblicken einer Person wird als Aggressionssignal gedeutet,[96] und in der fluechtigen Begegnung mit Fremden
wird der Blickkontakt im Normalfall spaetestens an der Grenze einer durch
Proxemic definierten "sozialen Zone" abgewendet.[97]
Der "schwule Blick" durchbricht dieses allgemeingueltige Verhaltensritual,
indem hier der Blickkontakt fuer den Bruchteil einer Sekunde laenger
aufrechterhalten wird. Tut das Gegenueber dasselbe, wodurch es ebenfalls gegen
das normierte Ritual verstoesst, ist der Moment gegenseitigen Erkennens
gegeben, man hat sich "ertappt". Loest es jedoch dem Ritual folgend den
Blickkontakt seinerseits rechtzeitig, wird es die Blickverlaengerung der
Gegenseite nur in Ausnahmefaellen ueberhaupt bemerken, was dann allerdings
tatsaechlich zu einer zumindest verbalen Aggression fuehren kann.[98]
Dieser "schwule Blick" ist wohl tatsaechlich das aelteste schwule
Erkennungszeichen ueberhaupt.[99] Es ist ohne
weitere Untersuchung schwer zu sagen, ob es gelerntes oder eine Art
phylogenetisch weitergegebenes Verhalten ist. Sicher ist, dass man es auch dann
als Erkennungszeichen entdecken kann, wenn man nicht zuvor von anderen darauf
hingewiesen wurde, und es dann auch ganz bewusst und durchaus erfolgreich zur
Kommunikation einsetzen kann.
Schon Goffmann wies auf die Moeglichkeit der Blickkommunikation in
stigmatisierten Gruppen hin, wobei er als erstes das Beispiel der Homosexuellen
anfuehrt:
Innerhalb der Szenen gab und gibt es noch immer ein System ausdifferenzierter Codes, vor allem die sogenannten "Taschentuchcodes", "Halstuchcodes" bzw. "Hanky Codes" (von engl.: hankie/hanky, familiaer fuer handkerchieve):
Worn on Left | COLOUR | Worn on Right |
heavy SM top | BLACK | heavy SM bottom |
bondage top | GREY | fit to be tied! |
wants head | LT BLUE | cock sucker |
69er | ROBIN'S EGG BLUE | anything but 69ing |
cop | MEDIUM BLUE | copsucker |
fucker | NAVY BLUE | fuckee |
pilot/flight attendant | AIR FORCE BLUE | likes flyboys |
sailor | LT BLUE/WHITE STRIPE | lookin' for salty seamen |
cock & ball torturer | TEAL BLUE | cock & ball torturee |
fist fucker | RED | fist fuckee |
cuts | MAROON | bleeds |
2-handed fister | DARK RED | 2-handed fistee |
dildo fucker | LIGHT PINK | dildo fuckee |
tit torturer | DARK PINK | tit torturee |
into navel worshippers | MAUVE | has a navel fetish |
suck my pits | MAGENTA | armpit freak |
piercer | PURPLE | piercee |
likes drag queens | LAVENDER | drag queen |
pisser/WS | YELLOW | piss freak |
spits | PALE YELLOW | drool crazy |
hung 8" or more | MUSTARD | wants a big one |
two looking for one | GOLD | one looking for two |
anything anytime | ORANGE | nothing now (cruising) |
two tons o' fun | APRICOT | chubby chaser |
suck my toes | CORAL | shrimper |
a cowboy | RUST | his horse |
spanker | FUSCHIA | spankee |
hustler (for rent) | KELLY GREEN | john (looking to buy) |
daddy | HUNTER GREEN | boy (may or may not have daddy) |
military top | OLIVE DRAB | military bottom |
dines off tricks (food) | LIME GREEN | dinner plate |
rimmer | BEIGE | rimmee |
scat top | BROWN | scat bottom |
uncut | BROWN LACE | likes uncut |
cut | BROWN SATIN | likes cut |
latex fetish top | CHARCOAL | latex fetish bottom |
actually owns a suit | GREY FLANNEL | likes men in suits |
beat my meat | WHITE | I'll do us both |
cums in scum bags | CREAM | sucks it out |
Die
Tuecher spielen allerdings explizit nur in Zusammenhaengen eine Rolle, in
denen es um eindeutige sexuelle Absichten geht. Hierzu zaehlen bis heute
bestimmte Bars und Feten und auch der Bereich derjenigen Kontaktanzeigen, die
auf Sex ausgerichtet sind. Hier werden die verschiedenen Vorlieben entweder in
konventionalisierten Abkuerzungen oder in den Tuchfarben angegeben.
Wie aus den codierten Praktiken (vgl. Abbildungen 1 und 2) bereits ersichtlich wird,
beziehen sich die Farben neben den gaengigen Sexualpraktiken vor allem auf die
vielen Einzelaspekte aus dem Bereich des S/M-(Sado-Maso)-Sex. Die Zeichen und
Symbole der S/M-Gemeinschaft, in der auch schwarze Lederkleidung und das
Piercing von Ohren und Brustwarzen ihren Ursprung nahmen, werden als
"integraler Bestandteil des schwulen Lebens nach Stonewall"[103] gewertet.
Worn on Left | COLOUR | Worn on Right |
safe sex top | BLACK/WHITE CHECK | safe sex bottom |
safe fisting top | RED/WHITE CHECK | safe fisting bottom |
shaver | RED/WHITE STRIPE | shavee |
furry bear | RED/BLACK STRIPE | likes bears |
likes white bottoms | WHITE LACE | likes white tops |
likes black bottoms | BLACK/WHITE STRIPE | likes black tops |
likes latino bottoms | BROWN/WHITE STRIPE | likes latino tops |
likes asian bottoms | YELLOW/WHITE STRIPE | likes asian tops |
likes white suckers | LT BLUE/WHITE DOTS | likes to suck whites |
likes black suckers | LT BLUE/BLACK DOTS | likes to suck blacks |
likes latino suckers | LT BLUE/BROWN DOTS | likes to suck latinos |
likes asian suckers | LT BLUE/YELLOW DOTS | likes to suck asians |
park sex top | RED/WHITE GINGHAM | park sex bottom |
headmaster | BROWN CORDUROY | student |
wears boxer shorts | PAISLEY | likes boxer shorts |
bestialist top | FUR | bestialist bottom |
likes muscle boy bottoms | GOLD LAME | likes muscle boy tops |
star fucker | SILVER LAME | celebrity |
has/takes videos | BLACK VELVET | will perform for the camera |
voyeur (likes to watch) | WHITE VELVET | will put on a show |
has tattoos | LEOPARD | likes tattoos |
smokes cigars | TAN | likes cigars |
cuddler | TEDDY BEAR | cuddlee |
chicken | KEWPIE DOLL | chicken hawk |
wears a dirty jock | DIRTY JOCKSTRAP | sucks it clean |
tearoom top (pours) | DOILY | tearoom bottom (drinks) |
outdoor sex top | MOSQUITO NETTING | outdoor sex bottom |
has drugs | ZIPLOC BAG | looking for drugs |
bartender | COCKTAIL NAPKIN | bar groupie |
stinks | KLEENEX | sniffs |
has a home | KEYS IN FRONT | has a car |
needs a place to stay | KEYS IN BACK | looking for a ride |
likes to nibble | HOUNDSTOOTH | will be bitten |
skinhead top | UNION JACK | skinhead bottom |
new in town | CALICO | tourists welcome |
bathhouse top | TERRY CLOTH | bathhouse bottom |
hosting an orgy | WHITE/MULTICOLOR DOTS | looking for an orgy |
Eine Tuchfarbe fuer "bin Schwulenbewegter" / "stehe auf Schwulenbewegte" ist in der Szene bislang nicht bekannt, obwohl dies bei noch weiter zunehmender Ausdifferenzierung und Anonymisierung als "conversation starter" sicherlich denkbar waere. Andererseits haben einige Schwulengruppen eigene Logos entwickelt, die sie auf T-Shirts und Pins in der Szene tragen (z.B. Herzenslust Gay-Team, BoyTrek).
Der
"Rosa Winkel" (Pink Triangle) findet Verwendung als Erkennungszeichen des "gay
rights movement"[104] und der
Schwulenbewegung in Form von Pins (Anstecknadeln), Aufklebern auf Autos,
Taschen etc.; sogar ein schwuler Buchverlag gleichen Namens ist bekannt. Der
Rosa Winkel dient einer "affirmative group identification"[105] und wirkt somit sowohl als Zeichen innerhalb der Gruppe
wie auch nach aussen.
Die
bekannte rote Schleife, "Red Ribbon" oder auch "Awareness Ribbon" genannt,
wurde anfaenglich nur aus einem einfachen roten Stoffband hergestellt.
Mittlerweile ist es auch als Ansteck-Pin aus Metall, in unterschiedlichen
Groessen und in national spezifischen Gestaltungen[109] und auf T-Shirts, Aufklebern etc. erhaeltlich.
Die
Regenbogenflagge oder "Rainbow Flag" ist eines der weltweit am meisten und
einheitlichsten verwendeten Symbole schwuler Identitaet. In aller Welt ist sie
zu finden auf der Eingangstuer schwuler Cafés, Kneipen, Saunen und
Lokale, weht aus Fenstern und klebt als Sticker an Autohecks und auf
Aktenordnern; sie wird als Pin am Revers oder in Form farbiger Ringe an der
Halskette getragen; sie prangt fuer ihren globalen Siegeszug auf
Internet-Homepages und findet inflationaeren Gebrauch und staendige
Neukonventionalisierung auf den zahlreichen Pride- und CSD-Veranstaltungen. Die
Regenbogenflagge will immer das eine ausdruecken: Bei uns bist du richtig, hier
bist du als Schwuler (und als Lesbe, als Bisexuelle/r, Transsexuelle/r...)
herzlich willkommen.
Die Regenbogenflagge, deren symbolgeschichtliche Urspruenge wohl zumindest bis
in die biblische Zeit juedisch-christlicher Mythologie zurueckreichen, wo der
Regenbogen nach der Sintflut als Zeichen fuer Gottes Bund mit Noach am Himmel
steht,[114] wurde als Zeichen der "gay
community" erstmals 1978 in den USA verwendet:
Unter
"gender emblems" oder Geschlechtszeichen sind zunaechst die aus der Biologie
bekannten Zeichen fuer "weiblich" und "maennlich" zu verstehen: Dem
"Venusspiegel", einem Kreis mit untem angesetzem Kreuz, und dem "Marskoecher",
einem Kreis mit nach rechts oben abgehendem Pfeil. Diese Zeichen
repraesentieren das weibliche (Venus) und maenliche Prinzip (Mars) der
Astronomie.
Als schwules (bzw. lesbisches) Zeichen gilt die hintereinandergelegte
Verdopplung des jeweiligen Zeichens.[117]
Diese Zeichen werden unter anderem wie Schmuck an einer Kette um den Hals
getragen.
Face-to-face-Kommunikation,
also Kommunikation von Angesich zu Angesicht, ist charakterisiert durch
Zeitgleichheit und Ortsgleichheit der Beteiligten.
Innerhalb der Face-to-face-Kommunikation laesst sich - wie in den Bereichen
medialer Kommunikation, die weiter unten angesprochen werden - noch weiter
unterteilen in interpersonale Kommunikation (zwei Teilnehmer),
Kleingruppenkommunikation (mehrere Personen, aber mit Kenntnis der
ueberwiegenden Zahl der Teilnehmer), sowie Massenkommunikation (einseitig, ohne
Kenntnis der beteiligten Personen).[118]
"Cruising"
bedeutet im eigentlichen Sinn, sich zu bestimmten "codierten" Orten zu begeben,
um dort nach potentiellen Sexpartnern Ausschau zu halten und mit ihnen in
Kontakt zu treten, um moeglichst an Ort und Stelle oder in der naheliegengen
Wohnung mit ihnen sexuell "zur Sache zu kommen".[119] Zu den klassischen schwulen Cruisingorten zaehlen unter
anderem bestimmte oeffentliche Beduerfnisanstalten (sogenannte "Klappen") und
Gruenanlagen, Strassenecken, Saunen und Pornokinos, Bahnhoefe und
Autobahnrastplaetze.
Die Codierung der Orte beschreibt Baake fuer die jugendlichen "Subkulturen" wie
folgt:
Schwule
Kneipen gehoerten in der Vergangenheit zu den wenigen Freiraeumen homosexuellen
Lebens und damit auch zu den oben beschrieben Cruisingorten. Noch heute haben
sich viele dieser Kneipen ihren urspruenglichen, dunklen, subversiven Charme
bewahrt. Doch ist innerhalb der schwulen Kneipenszene ein zunehmender Trend zur
Aufweichung der starren subkulturellen Grenzen zu verzeichnen. So positioniert
sich etwa das in Bochum im Juli 1997 frisch eroeffnete "Freibad" trotz
Regenbogenflagge am Eingang und schwulem Personal als ein Ort, an dem sich
"einfach jeder wohlfuehlen soll, egal ob schwul, lesbisch oder was auch immer.
Wir wollen nicht Ghetto sein wie die Schwulenkneipen in den 80er Jahren."[122]
Kneipen sind generell Orte, an denen eine starke Kommunikation und
Meinungsmultiplikation zu beobachten ist.[123] Vor allem in der Kleingruppen-Kommunikation reicht es
aus, ein oder zwei Schwulenbewegte zu haben, um der gefuehrten Konversation
einen Schlag in die politsche Richtung zu geben: Neuigkeiten werden verbreitet,
politische Standpunkte dargelegt, Kritik an Politikern und Personalien und
Ereignisse der Bewegung erlaeutert.
Die Tatsache, dass auch Sitzungen von schwul-lesbischen AktivistInnengruppen
heute in den Hinterzimmern solcher Kneipen abgehalten werden, stellt oft eine
erste Verbindung bis dahin an der Bewegung Unbeteiligter her, ein
"Hineinschnuppern" und zwangloser informativer Konatkt in den Sitzungspausen
wird moeglich.[124]
Neben der genannten Face-to-face-Kommunikation sei an dieser Stelle bereits auf
bestimmte medial-versetzte Kommunikationsprozesse aufmerksam gemacht:
Die meisten schwulen Kneipen bieten naemlich eine umfangreiche
Schriftenauslage, von der man die verschiedensten Flugblaetter, Flyer,
Broschueren, Aids-Aufklaerungshefte und Zeitschriften kostenlos mitnehmen kann.
Schliesslich sollte auch die Wirkung der Plakate an Toilettentueren und Waenden
nicht unterschaetzt werden.
Die
Schwulenreferate an den Universitaeten und Hochschulen sind seit jeher
Keimzelle der modernen politischen Schwulenbewegung, wie schon mit dem Begriff
der "Gay Libbers" als eine eigene Studentenkategorie angedeutet wurde. Obwohl
es mittlerweile zahlreiche andere aktive schwul-lesbische Gruppen (siehe dort)
wie etwa Gewerkschaftsgruppen gibt, verbinden sich hier auch knapp dreissig
Jahre nach der Studentenrevolte Zeit, Kraft und intellektuelles Potential der
Studenten mit verschiedenen radikalen Ideologien und Lebensentwuerfen:
Schwule
bzw. schwul-lesbische "Kommunikationszentren" entstanden kurz nach der
Liberalisierung des Paragraphen 175 StGB. Die Anfaenge waren zoegerlich,
versteckt, es ging zunaechst darum, gemeinsame Anlaufstellen zu schaffen. So
heisst es in der Gruendungssatzung des KCM (Kommunikationscentrum Muenster):
Die
Diskussionsveranstaltungen, wie sie unter anderem von den Kommunikationszentren
und Schwulenreferaten regelmaessig angeboten werden, sind meist offene
Podiumsdiskussionen. Die meisten dienen der Verbreitung und Reflexion
gesellschaftlich-schwulenpolitischer Standpunkte unter den Teilnehmern, aber
auch Fragen von Partnerschaft, Aids-Praevention und Umgang mit der
HIV-Infektion sind auf der Agenda zu finden. Manche Veranstaltungen wenden sich
explizit nicht nur an Schwule, als Beispiel seien hier Diskussionsrunden zum
Thema Homosexualitaet und Kirche in verschiedenen Kirchengemeinden oder zum
Thema Eltern schwuler Soehne genannt.
Regionale, nationale und internationale Kongresse der Schwulenbewegung gibt es
zu so unterschiedlichen Themen wie Leben mit HIV (Bundespositiventreffen im
Freien Tagungshaus "Waldschloesschen"), Vernetzung schwuler Gruppen (Schwules
Netzwerk NRW), Vernetzung der europaeschen "Pride"-Organisatoren (European
Pride Organizers (EPOA) Conference), internationale Vernetzung schwuler und
lesbischer Aktivitaeten (International Lesbian and Gay Assossiation). Gemeinsam
ist allen diesen Veranstaltungen, dass eine hohe sachbezogene
Kommunikationsdichte herrscht, woran es oft in der Gruppenarbeit vor Ort
mangelt, die vor allem aus zwei Dingen resultiert: Zum einen nehmen die
Teilnehmer zum Teil grosse Kosten und Muehen auf sich, um ueberhaupt zu einer
solchen Veranstaltung zu gelangen, zum anderen gibt es klare, vorher
bekanntgegebene Rede- und Abstimmungsregularien.
Die
hier angesprochenen Discoveranstaltungen kamen Mitte der achtziger Jahre auf,
und sie waren urspruenglich als "Praeventionsveranstaltungen" im Rahmen der
"strukturellen Praevention"[130] ins Leben
gerufen worden. Ziel war es, homosexuellen Maennern und Jugendlichen ein
gemeinsames Freizeitangebot zu bieten, bei dem sie sich als gemeinsame Gruppe
definieren lernten und dadurch besser mit Praeventionsmassnahmen anzusprechen
waren, die speziell auf diese "Hauptbetroffenengruppe" abstellten.
Noch heute werden die beliebtesten dieser Veranstaltungen von Rosa Strippe
(BO-YS), Herzenslust (Bang!, cruise&queer) und Aids-Hilfe (Disco im
Café Rosa Mond, Duesseldorf) organisiert bzw. unterstuetzt.
Deep Space Gay | Weststadt, Essen | noch unregelmaessig | kommerziell |
Independent Pop-Wave-Fun-Party for Gays & Lesbians | Zwischenfall, Bochum | mtl. jeden 1. Freitag | kommerziell |
GayDay Party fuer Schwule und andere | Autonomes Zentrum, Wuppertal | . | AIDS-Hilfe |
Bang! Die Party nicht nur fuer Schwule & Lesben | Druckluft, Oberhausen | mtl. jeden 3. Freitag | Herzenslust |
gaywatch party fuer schwule & lesben ab 27 | Depot, Dortmund | regelmaessig | . |
BO-YS Party fuer Schwule (und andere) | Bf. Langendreer, Bochum | mtl. jeden 1. Samstag | Rosa Strippe |
Power and Glory The new Mandance, It's gay it's queer it's lovely | Zeche Carl, Essen | mtl. jeden 2. Samstag | teil-kommerziell |
cruise&queer Party fuer Lesben & Schwule & Freunde | Ringlokschuppen, Muelheim/Ruhr | mtl. jeden 4. Samstag | Herzenslust und K.I.D.S |
GayHappening in der Koenigsburg | Koenigsburg, Krefeld | ca. zweimonatlich | kommerziell |
Gay Vest Fete fuer den Kreis Recklinghausen | Altstadtschmiede, RE | zukuenftig zweimonatlich | GAYneration |
WORK! Leder, Gummi&Fetisch-Fete | Stahlwerk Meiderich, Duisburg | unregelmaessig | kommerziell |
Stargate Gay Club Disco verschiedene Motto-Veranstaltungen | Stargate, Bochum | Fr., Sa. und vor Feiertagen | kommerziell |
Ball Verkehrt Gay and Lesbian Party | Buergerhalle, Hamminkeln | zweimonatlich | H.I.B. Bocholt |
backyard die andere music party nicht nur fuer Lesben + Schwule | KCR, Dortmund | mtl. jeden 4. Freitag | KCR |
Disco fuer Lesben und Schwule | Rosa Mond, Duesseldorf | jeden Donnerstag | Café Rosa Mond / AIDS-Hilfe |
Cruising Die gefeierte Party im Lesben- und Schwulenzentrum | LuSZD, Duesseldorf | mtl. 1. Samstag | Lesben- u. Schwulenztr. |
MC2 Men-Cruising-Party | LuSZD, Duesseldorf | mtl. 2. Samstag | Lesben- u. Schwulenztr. (die Feten im LuSZD sind wegen Umzugs des Zentrums voruebergehend ausgesetzt) |
Victor&Victoria Party for gays, lesbians and their friends | Bochum, verschieden | unregelmaessig | Victor&Victoria |
Allerdings
fuehrt der Weg gerade im Ruhrgebiet in juengster Zeit weg von der
"klassenlosen" gemeinsamen Veranstaltung nun zu einem immer vielfaeltigeren und
kommerziellen Angebot, das ausserhalb der schwulen Szene liegende Einfluesse
von Mode und Musikgeschmack widerspiegelt. Und nicht zuletzt ist auch eine
zunehmende Oeffnung und ein Vermischen von homo- und heterosexuellen
"Partynasen"[131] zu beobachten, denn "das
ganze prickelnde Gay-Partyfeeling reizt auch Heteros"[132]
Die Moeglichkeiten des uebergreifenden direkten Kontakts unter den Mitgliedern
der Schwulenbewegung, die auf den Feten frueher zwangslaeufig ueber den Weg
liefen und dann im Cafébereich der Disco die wichtigsten Neuigkeiten
austauschen und anderen (wie unter Kneipen beschrieben) weitergeben konnten,
nimmt durch die Ausdifferenzierung rapide ab und muss durch andere
Kommunikationsformen ersetzt werden.[133]
In
den USA leben Schwule und Lesben in den groesseren Staedten in eigenen,
abgegrenzten Wohnvierteln bzw. Stadtteilen, der sogenannten "community"
zusammen.[134] In diesen Vierteln stellen
sie auch fast die gesamte Infrastruktur; vom Baecker ueber Kneipenbesitzer bis
hin zum Sexshopbetreiber definiert man sich ueber die sexuelle Identitaet,
ueberall weht die Regenbogenflagge. Dieses Zusammenleben in einer spezifischen
Gruppe stellt in den "multikulturellen", allgemein einer staerkeren
Polarisierung der Gesellschaft unterworfenen USA keine Besonderheit dar, in der
sich andere Bevoelkerungsgruppen in gleicher Weise ueber eine gemeinsame
Identitaet abgrenzen und in Vierteln wie "Chinatown" oder "Little Italy" sogar
eigene, von Staat und Verfassung tolerierte Gesetze einfuehren.
In Deutschland stellt sich die Situation anders dar, man setzt insgesamt mehr
auf Intergration als auf Polarisation.[135]
Dadurch atomisiert sich auch die schwule Bevoelkerung in alle Stadtteile und
Teilstaedte. In den Metropolen Koeln (Suedstadt), Hamburg (St. Georg) und
Berlin (Charlottenburg, Schoeneberg, Prenzlauer Berg)[136] sind aber bereits geographische Abgrenzungen zu
beobachten.[137]
Betrachtet man die Auswirkungen auf den Gruppenzusammenhalt, so erscheint eine
Situation wie in den USA ungleich besser geeignet, uebergreifende Gruppenziele
- und vor allem auch die Gruppe selbst - in der direkten Kommunikation immer
wieder neu zu definieren. Durch gemeinsame schwul-lesbische Wohnprojekte soll
hier nun ein aehnlicher Effekt erzielt werden. So formuliert Hans-Juergen Esch,
Projektleiter des Wohnprojektes Koeln-Ehrenfeld:
Schwule Bewegung lebt von schwulen Gruppen.[139] Sie stellen die Vielfalt an Meinungen, Lebensauffassungen und Erfahrungen das, die schwules Leben in der Gesellschaft ausmachen. So einleuchtend diese Tatsache wohl sein mag, ist denoch ganz deutlich hervorzuheben, dass viele Gruppen isoliert vor sich hinarbeiten, dass einige Gruppen und Initiativen im besten Fall nebeneinander her arbeiten, im leider noch viel zu oft zu beobachtenden schlechtesten Fall aber auch verbittert gegeneinander arbeiten.
Abb. 4: Die Schwulen- und Lesbenbewegung im Ruhrgebiet - ein Ausschnitt1. | AIDS-Hilfe Bochum e.V. |
2. | AIDS-Hilfe Dortmund e.V. |
3. | AIDS-Hilfe Essen e.V. |
4. | AIDS-Hilfe Oberhausen e.V. |
5. | AStA-Maenner- und Schwulenreferat der Uni-GH Essen |
6. | AStA-Schwulenreferat Uni Dortmund |
7. | Autonomes Schwulenreferat der RUB (Ruhruni Bochum) |
8. | Bundesverband Homosexualitaet - BVH Regionalbuero Dortmund |
9. | Buendnis 90/DIE GRUeNEN Bochum |
10. | Buendnis 90/DIE GRUeNEN Essen, AG Schwule und Minderheiten |
11. | Café Blu, Dortmund |
12. | DGB Dortmund, Jugendreferat |
13. | FLIP -Frauenliebe im Pott- e.V., Essen |
14. | Heartbeat-Café, c/o AIDS-Hilfe Essen |
15. | Herzenslust Gay-Team Oberhausen / Muelheim |
16. | Herzenslust-Projekt Bochum |
17. | Homosexuelle und Kirche - Regionalgruppe Ruhrgebiet, Bochum |
18. | Junge Lesben, c/o KCR Dortmund |
19. | Jugendgruppe Rainbowboys, c/o KCR Dortmund |
20. | KCR - Kommunikations-Centrum Ruhr e.V., Dortmunder Lesben- und Schwulenzentrum |
21. | Lederfreunde Rhein-Ruhr e.V., Essen |
22. | Lesbengruppe ARIANE, c/o KCR Dortmund |
23. | LITFASS Buchladen und Switchboard, Dortmund |
24. | Mandance - The new Power and Glory, Essen |
25. | (Frauen- und Lesben-) Motorradstammtisch, Bochum/Dortmund |
26. | OeTV - Arbeitskreis Schwule und Lesben bei der OeTV, Essen |
27. | Quarterback, Kneipe, Essen |
28. | Radio PINK CHANNEL, Duisburg |
29. | Radio RegenBOgen, Bochum |
30. | Radio Rosa Rauschen, Essen |
31. | ROSA ZONE, Schwule Zeitung fuer NRW, Dortmund |
32. | Sportclub SC AufRuhr, Bochum |
33. | Schibsel e.V., Dortmund |
34. | Schwusos Dortmund |
35. | SODOM, c/o AStA-Schwulenreferat Uni Dortmund |
36. | SVD-Ortsgruppe Dortmund |
37. | Uwe Goerke FaxLine, Schwerte |
38. | Victor & Victoria, Schwulen- und Lesben-Initiative, Bochum |
39. | (Frauen- und Lesben) Volleyballgruppe, Bochum |
Klassische
Gruppen der neueren Schwulenbewegung enstammten, wie bereits
dargestellt, vorrnagig einem studentischen Millieu. Heute gibt es
schwul-lesbische Arbeitskreise in den Gewerkschaften (z.B. Arbeitskreis Lesben
und Schwule in der OeTV Essen, HBV-Rosa in Duisburg), in den Unternehmen (z.B.
Ford GLOBE, Gay Manager), Jugendgruppen (z.B. K.I.D.S in Muelheim), Gruppen in
den AIDS-Hilfen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen.[140] Die Spannweite reicht dabei von der abgeschlossenen
Selbsthilfegruppe bis zur politischen Interessenvertretung.
Nach Wegfall des BVH (Bundesverband Homosexualitaet) als Dachorganisation fehlt
eine gemeinsame Plattform; diese soll durch zunehmende mediale und auch
persoenliche "Vernetzung" neu geschaffen werden:
Die
"GayCom" ist ein vom Schwulen Netzwerk NRW nun bereits zum zweiten Mal
durchgefuehrter Kongress, der den Informationsaustausch der Gruppen
untereinander foerdern soll. Das Thema des diesjaehrigen "GayCom", die am
21.06.1997 im Ringlokschuppen Muelheim/Ruhr stattfand, lautete: "Kommunikation
- Erfahrung - Information: Schwulengruppen in der Provinz.
Im folgenden soll die Stichwortmitschrift der Diskussionsrunde: "Motivation und
Gruppenstruktur" wiedergegeben werden, da hierdurch eine tiefe Einsicht in die
unterschiedlichen Gruppenkonzepte moeglich wird. Augrund des Generalthemas der
"GayCom 97" handelt es sich hauptsaechlich um Gruppen aus dem laendlich
gepraegten Raum.
Es sei vorweggenommen, dass eine derart stark auf Selbstorganisation und
Nicht-Institutionalisierung setzende Gruppenarbeit, wie sie in den laendlichen
Gruppen oft vorzufinden sind, vielen grossstaedtischen Gruppen schon aufgrund
ihrer Mitgliederzahl nicht mehr praktikabel erscheint. Zu sehen ist aber auch,
dass durch eine solche Gruppenstruktur teilweise starke gruppendynamische
Effekte freigesetzt werden koennen, vermutlich, weil sich jeder fuer das, was
geschieht oder eben nicht geschieht, unmittelbar selbst verantwortlich
fuehlt.
Interessant erscheint auch der angesprochene Effekt des
"Jugendgruppen-Tourismus", der das dieser Arbeit zugrundeliegende Konzept der
sich ueberlappenden "Szenen" zu bestaetigen scheint.
*
ca. 30 Personen insgesamt, 10 - 20 Leute auf dem woechentlichen Treffen in
einem separaten Raum in einem Café.
* Ideen werden durch Gruppendynamik hervorgebracht und organisiert
* es gibt einen von der Basis (= allen Mitgliedern) fuer verschiedenen
Aktionen gemeinsam aufgefuellten Finanz-Fonds.
*
hohe Teilnehmerfluktuation, dadurch grosse Differenz des jeweils teilnehmenden
Personenkreises, Treffen zweimal monatlich in einer Kneipe, mir lauter Musik im
Hintergrund.
* eher informativer als diskrsiver Charakter, zwangloses Zusammensein.
* Aufgaben fallen immer wieder auf wenige dauerhaft Aktive zurueck, daher
verlaufen sich viele Ideen im Sand.
*
ca. 350 maennliche Mitglieder, Treffen in eigenen Raeumen (Gruppenraeume
etc.), eigene Publikation (Der Zauberhut), Rosa Telefon.
* offiziell Vereinsstruktur mit Vorstand, Beiraeten und Arbeitsgruppen,
dennoch unueberschaubare Struktur (keiner weiss, was andere in anderen Gruppen
eigentlich tun)
* zweimal monatlich durchgefuehrte Feten als Anlaufpunkt.
* Beratung und Hilfe im KCM: 19446 - Rosa Telefon, Coming-Out-Gruppen
* Gruppen und Projekte im KCM: Fete, Medien/Oeffentlichkeit , Gay and Grey,
Schwule Vaeter, YOUNGS! - Die schwule Jugendgruppe (vormals LSJA!),
Niederlande-AG, Schwule Bibliothek, Gespraechskreis Lustvolles Leiden, Taktvoll
- die schwul-lesbischen Tanzkurse, Filmclub, Lesung im KCM,
Aufklaerungsprojekt, Toleranzkampagne.
*
eingetragener Verein, Treffen zweimal monatlich in kirchlicher Einrichtung, ca.
10 Teilnehmer.
* zusaetzlich woechentlicher Stammtisch
* Organisation diverser Veranstaltungen durch den 2koepfigenVorstand
* Vorschlaege durch Mitglieder nd Vorstand, Abstimmung der Vorschlaege
ueber eigenes Infoblatt
* frueher bestehende Jugendgruppe wurde aufgeloest: "Man lernt ja in der
Gruppe Maenner kennen und braucht dann die Gruppe nicht mehr."
* Gruppe frueher schwul-lesbisch gemischt, jetzt rein schwul, weil eine
Zusammenarbeit nicht dauerhaft moeglich war (Vorwurf, Lesben seien
unterrepraesentiert).
*
zwischen 8 und 20 Teilnehmern, Zahl ist stark schwankend.
* Freizeitaktionen; Beteiligung an verschiedenen Aktionen wie CSD und
Parties und Kulturveranstaltungen in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen am
Niederrhein.
*
mit anderen schwul-lesbischen Gruppen am Niederrhein, Notwendigkeit der
Vernetzung durch geringe Bevoelkerungsdichte auf dem Land
* ermoeglicht gemeinsame Parties, Kulturveranstaltungen etc.
* Kommunikation bringt zusaetzlich Lerneffekte
* monatliche Konferenz der Gruppenvertreter , durch immer wieder
notwendiges Feedabck der Gruppen ist der Abstimmungprozess jedoch oft muehsam,
langwierig und zaeh.
*
"Jugendgruppe" mit Leitung durch zwei Jugendgruppenleiter, woechentliche
Treffen, abwechselnd themenbezogen (Informationsvermittlung, z.B. durch
externen Referenten) und themenfrei.
* "Erwachsenengruppe" (ab ca. 26 Jahren), hier bisher wenig Bereitschaft
zur Mitarbeit, ein festes Team soll aufgebaut werden.
ca.
5 bis 10 Leute, woechentliche Treffen, Probleme mit der Raeumlichkeit
(DRK-Heim, Oberkreisdirektor und DRK-Bundesvorstand moechte nicht, dass "das
bekannt wird").
* Viele Aktionen werden gestartet, gleichzeitig verlaeuft aber vieles im
Sand.
* Fuer neue Leute wird Hilfestellung von der Gruppe gewaehrt, aber
"irgendwann sind die Probleme besprochen".
* Teilnehmerzahl schwankt von ca. 5 bis 30 Personen,
5 Mitarbeiter sind
dauerhaft aktiv, aber verstehen sich als Gleiche unter Gleichen.
* ungezwungene Treffen, "statistisch 2,5 mal pro Woche", coming-out- und
Beziehungsproblemgespraeche.
* Raeume und eigene Bibliothek im Haus der Jugend Oberhausen.
*
Gruppenstaerke insgesamt ca. 40 Leute, Verhaeltnis 2/3 Maenner / 1/3 Frauen,
Gruppenabende mit 20 bis 25 Leuten.
* woechentliches Treffen (Stammtisch in schwul-lesbisch orientierter
Kneipe), Jugendfreizeittreff zweimal monatlich im Haus der Jugend / LZB,
Verwaltungsabend einmal im Monat, zukuenftig monatliche Fete.
* "relativ basisdemokratisch", Selbstorganisation der Gruppen und
Arbeitsgemeinschaften steht im Mittelpunkt , Jugendgruppe mit
Jugendgruppen(be)gleitern (1 Mann, 1 Frau).
* "Meckerrunde" halbjaehrlich und nach Bedarf.
*
die Grupe existiert seit 6 Jahren, seit 2 Jahren in Muelheim, hat derzeit 68
Mitglieder, die Mitgliederzahl ist seit dem letzten Jahr deutlich gestiegen.
* offene Gruppe, vor allem die Anzeigen im Stadtmagazin "coolibri"
stellen den Kontakt mit den Jugendlichen her, wie herauszufinden war.
* woechentlicher Treff mit anschliessender Party.
* Vorstand mit Gruppenleitern (vor allem zustaendig fuer die offizielle
Organisation von Reisen, Projekttagen etc.) und Beirat der Jugendlichen
(zustaendig fuer die verschiedenen Gruppenangebote: Feten,
Buergerfunk-Sendungen).
* K.I.D.S ist entstanden als Selbsthilfegruppe; Ziel ist es, einen
Treffpunkt, eine Kommunikationsstelle zu schaffen, in der die vielen
persoenlichen Probleme in kleinen, privaten Gruppen ausdiskutiert werden
koennen.
* Gerry Wiechert (Vorstand) spricht von "Jugendgruppen-Tourismus" innerhalb
des Ruhrgebiets / Duesseldorf, "das interessanteste Angebot wird jeweils
genutzt".
Dies bestaetigt auch der Vertreter der Gruppe "Hellas Juenger" (s.u.).
* ca.
30 Leute insgesamt (schwul-lesbisch gemischt, anfaenglich rein schwul), zu den
monatlichen Treffen im KCR kommen jeweils ca. 10 Leute.
* auch hier ist der "Jugendgruppen-Tourismus" festzustellen.
* die Gruppe hat einen "peer-group-Charakter": gemeinsames Kochen,
Schwimmen, gemeinsame Tanzkurse sollen neue Interaktionsformen des
schwul-lesbischen Zusammenseins einueben.
*
vor 3 Jahren gegruendet vom Sozialwerk fuer Lesben und Schwule, derzeit
ca. 130 Jugendliche.
* woechentliche Treffen im SCHULZ (Koelner Schwulen- und Lesbenzentrum),
wer anwesend ist, darf mitentscheiden.
* Orga-Teams fuer Allgemeines, Theke, Internet, U27 (Disco zweimal
monatlich), Gokart-Rennen etc.
* derzeit Antrag auf ein lesbisch-schwules Jugendzentrum in Koeln.
*
gegruendet vor drei Jahren als "grosse Ausheul- und Diskussionsrunde",
jetzt konzipiert als offener Treff mit drei gewaehlten Vorstaenden, weil das
urspruengliche Konzept nicht ankam.
* insgesamt ca. 30 Personen dabei, zu den Gruppentreffs kommen ca. 10 bis
20 Leute (auch hier abhaengig vom "Gruppentourismus").
* eigene Disko-Veranstaltung (Gay Vest) alle 3 (zukuenftig alle 2) Monate
* formal und finanziell angebunden an die AIDS-Hilfe
Muelheim/Oberhausen.
* innerhalb der Gruppe gilt das mehrheitlich-demokratische Prinzip.
* es gibt einen "harten Kern", der organisatorische Arbeiten erledigt.
* Projekt "Rosa Telefon" unter Einbezug verschiedener Gruppen wie Schwule
und Lesben im DGB, Polizei etc.
* Mitveranstalter und Aktionen auf Disko-Parties cruise&queer und
Bang! und Private-Sex-Party Oberhausen.
* gegruendet
vor 8 Jahren, frueher bis zu 70 Mitglieder, derzeit ca. 25.
* Treff zweimal monatlich in Raeumen der AWO, zusaetzlich Badminton-Gruppe
und Fruehstuecksangebote.
* derzeit Streit um die Frage "Verein vs. offener Treff". Der offene Treff
wird bevorzugt, aber dann muesste mehr Disziplin herrschen nach dem Motto "wer
etwas vorschlaegt, muss auch bei der Umsetzung mitarbeiten".
* Treff zweimal monatlich (Aktionen wie Wanderungen etc.),
regelmaessig oeffentliche Treffs in einem Café, rosa Kaffeklatsch.
* nach Anlaufphase wurde die Vereinsgruendung vollzogen.
* der Verein hat aber hauptsaechlich repraesentative Funktion, intern ist
man "interaktiv", es gibt keine starre Vereinsstruktur, vorstandsunabhaengige
Arbeit wird zugelassen.
1)
Die Gruppe wird ueberwiegend als Treff gesehen, als Ort der Kommunikation.
2) Gemeinsame Aktionen werden durchgefuehrt, um den Gruppenzusammenhalt zu
foerdern.
3) Es gibt Orga-Teams, die aus der Basis heraus entstehen, "aus der Lust
heraus, etwas zu unternehmen".
Das
Kuerzel "CSD" steht fuer "Christopher Street Day" und ist die in Deutschland
uebliche Bezeichnung fuer den Gedenktag an den schwul-lesbischen Aufstand gegen
eine zum wiederholten Male stattfindenden Polizeirazzia in der Bar "Stonewall"
in der Christopher Street in New York City am 28. Juni 1969. Weltweit wird
dieser Tag, der als Geburtsstunde der weltweiten Schwulenbewegung gilt,
jaehrlich von Millionen von Lesben und Schwulen unter Begriffen wie "CSD",
"Lesbian and Gay Liberation Day", "Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender Pride"
und "Mardi Gras" mit Demonstrationen, Paraden und Partys gefeiert.
Neben diesen urspruenglich politisch motivierten Veranstaltungen haben sich
bereits andere Konzepte entwickelt, die als "schwul-lesbische Strassenfeste"
oder "Tummelplatz der Lueste" bekannt sind. Bei den groesseren
CSD-Veranstaltungen ist eine Vermischung aus beiden Elementen zu beobachten.
Innerhalb Deutschlands finden die groessten CSD-Veranstaltungen in Berlin und
Koeln statt.
Ort | Kontaktmoeglichkeiten |
Aachen | Kontakt-Telefonnummern |
Berlin | Infotelefon (Switchboard Mann-O-Meter) |
Bielefeld | Internet |
Bochum | Plakate, Flyer |
Bonn | Infotelefon (AIDS-Hilfe) |
Cottbus | keine Angaben |
Frankfurt/M. | keine Angaben |
Halle (Saale) | Internet |
Hamburg | Infotelefon (Switchboard Magnus Hirschfeld Zentrum), eMail-Kontakt |
Koeln | Programmbroschuere, Internet 1 und Internet 2 |
Mannheim | keine Angaben |
Marburg | Internet |
Muenchen | Telefon-Hotline, Internet |
Oldenburg | Infotelefon |
Regensburg | keine Angaben |
Wiesbaden | Infotelefon |
Wuerzburg | keine Angaben |
Unter
Anknuepfung an Mary Douglas[146] beschreibt
Hans G. Soeffner verschiedene Formen des Ritualismus und in juengerer Zeit
daraus resultierende "Rituale des Antiritualismus".[147]
Soeffner kommt mit Goffman zu der Einschaetzung, dass das Zusammenleben in
"komplexen Massengesellschaften" wie in den primitiven Stammesgesellschaften
ebenfalls in hohem Masse von "Interaktionsritualen" durchsetzt ist. Sie wuerden
nur eher implizit und somit unbewusst eingesetzt.[148]
Die Kennzeichen medial-direkter Kommunikation sind Zeitgleichheit und Ortsdifferenz in der Interaktion. Medial-direkte Kommunikation begegnet uns in der Alltagserfahrung bisher vor allem beim Telefonieren.
Fuer
den Aufbau "kommunikativer Netzwerke", entlang derer sich "Gossip"
verbreitet,[159] hatte das Telefon bis vor
kurzem eine besondere Bedeutung gerade in der Schwulenbewegung: Durch die nicht
zu leugnende Promiskuitaet in der schwulen Szene gelangte man schnell zu einer
umfangreichen Liste an Telefonnummern, die im Bedarfsfall effizient zur
Weitergabe von Informationen im Schneeballsystem genutzt werden konnte.
Das Telefon verliert jedoch seine Vorrangstellung als interaktives Medium der
Schwulenbewegung zunehmend an die Kommunikation per e-Mail. Moeglicherweise
haengt das mit der Inflation von Anrufbeantwortern und der staendigen
Mobilitaet und der resultierenden Unerreichbarkeit schwuler Aktivisten
zusammen.[160]
Auch in den Anzeigen schwuler Gruppen finden sich zunehmend e-Mail-Adressen
anstelle oder zumindest in Ergaenzung zur Telefon-Kontaktnummer. Das
Herzenslust Gay-Team hat bereits damit begonnen, seine Beratungsaktivitaeten in
den InternetRelayChat (siehe dort) zu verlagern.
Dennoch ist die anonyme Beratung per Telefon-Hotline fuer viele noch immer ein
erster Kontakt mit der Schwulenbewegung: Rosa Telefone, Gay Hotlines,
Homophone, Rosa Hilfen etc.[161]
veroeffentlichen ihre Beratungstelefonnummern daher im Kontaktanzeigenteil der
Jugend- und Stadtmagazine, die Aids-Hilfen sind bundesweit unter der
einheitlichen Beratungsnummer 19411 zu erreichen.
GayLines sind meistens kostenpflichtige 0190er-Nummern, deren Funktion sich in
privater Kontaktaufnahme und Telefonsex beschraenkt. Es handelt sich also um
virtuelles "Cruising" (siehe dort).
Mailboxes
(oder Mailboxen) werden hier bereits umfassend unter dem Gesichtspunkt
medial-direkter Kommunikation behandelt, obwohl sie auch medial-versetzte
Kommunikation ermoeglichen. Eine weitere Unterteilung erschien nicht
sinnvoll.
Mailboxen sind einfache Kommunikationssysteme, bei denen der heimische Computer
lediglich als passives Terminal fuer die Datenfernuebertragung (DFUe) dient.
Der Aufbau und die Gestaltung der Bildschirmseiten ist auf den einfachen
ASCII-Zeichensatz beschraenkt, wie es anfaenglich auch beim Bildschirmtext
(urspruenglich BTX, spaeter Datex-j[edermann], heute T-Online) der Telekom der
Fall war. Vorteil ist, dass anders als beim WorldWideWeb im Internet hier nur
minimale Anforderungen an die Hard- und Softwareausstattung des heimischen PC
gestellt werden und auch kein Provider dazwischengeschaltet werden muss, was
einen leichten und kostenguenstigen Zugang ermoeglicht.[162]
Die Nutzer der jeweiligen Mailbox koennen Nachrichten lesen, die taeglich ueber
Datennetze wie das Fido-gaynet zwischen den verschiedenen Mailboxen
ausgetauscht werden, sie koenne untereinander Nachrichten verschicken (daher
der Name Mailbox), und vor allem koennen sie in der Chat-Funktion direkt
miteinander kommunizieren, diskutieren, sich Rat und Hilfe holen etc.
Die Nutzer sind untereinander bekannt, weil die Teilnehmerzahl pro Box durch
die (gewollte)[163] Abgeschlossenheit des
Netzes und durch die direkte Einwahl innerhalb der Region des
Telekom-Ortstarifs ueberschaubar bleibt. Ausserdem finden regelmaessige
Mailbox-Stammtische und Partys statt, auf denen man sich auch persoenlich
kennenlernt.
SGBB +49 40 6907117 | Aigytos BBS +49 511-713986 |
GayLife BBS +49 6074-5113 | Devil's Gay Land +49 711-339079 |
Pink PANTHER +49 821-586850 | Wupperbote BBS +49 202-450353 |
Trabbi's Paradise +49 202-4781434 | GAY-BOX Niederberg +49 2053-41282 |
Omega +49 208-762546 | C-Sphinx +49 211-318807 |
Derendorfer +49 211-445721 | GayWorld-GERMANY +49 211-5580425 |
GAYCOMM Port 1 +49 2161-601635 | Nightman +49 2203-294327 |
Die Baerenhoele +49 221-708519 9600 | GAYLINE -cologne- +49 221-737134 |
BlueBocs +49 231-72617261 | Male Box +49 5126-81116 |
Message Box +49 2351-62466 | Creative Brains +49 2352-23234 |
Wharft +49 241-523772 | Pink Harmony +49 241-604398 |
Gay Box - Bremen +49 421-6168191 | Mac's Box +49 2434-6768 |
TMB +49 30-75357443 | HIVNETBerlin +49 30-8618673 |
TERRA BBS +49 30-8210307 | Words +49 40-28052015 |
CMS GAY +49 5221-67127 | MICOS I +49 5222-16687 |
Amiga Venture +49 5265-7515 | Dao-Lin-H'ay +49 5281-79372 |
Gay Box +49 531-72054 | Goliath Box +49 5453-80077 |
SAVOY +49 5624-8011 | Rainer's MB +49 5722-3848 |
COM Mailsystem +49 6104-65547 | Splash +49 611-503571 |
UranusBBS +49 6131-384590 | BmU +49 6187-27166 |
Gay Power BBS +49 69-2979530 | NICE BITS BBS +49 69-4960751 |
Pegasus BBS +49 69-519804 | NAFETS +49 69-835841 |
Young Gay +49 711 6076178 | Viviane +49 711-9924566 |
Infopool Stuttgart +49 7152-56330 | The Filing Dutchman +49 7248-8711 |
Beatit +49 8251-999991 | Kuschelbox +49 8441-81908 |
SemmyGro +49 89-3545419 | Bavaria +49 89-405722 |
KNUSPER-BOX 2 +49 89-4481795 | Pink Cadillac +49 89-6257611 |
Tadzio +49 89-657447 | OASE +49 89-6883262 |
Diver-Mailsystem +49 89-6920837 | Manbox +49 9129-9621 |
Manni's Mailbox +49 9372-8351 | Panik BBS +49 941-379607 |
Schatz-Truhe +49 941-993961 |
IRC
(Internet Relay Chat) und ICE (Internet Chat Exchange, auch Web-Chat genannt)
verbindet die bereits unter Mailboxes beschriebene Moeglichkeit direkter,
textgebundener medialer Kommunikation mit der weltweiten Zugangsmoeglichkeit
des Internet:
deutsch |
#gayberlin #gaybielefeld #gaycologne #gayhamburg #gaymuenster #gayrostock #gaymeinsamwichsen.neu #gay-herzenslust #gblf.de #gblf-Teens #gblf-Tweens |
englisch (unter anderem) |
#gay (The Universal Gay Chat) |
Um
am IRC teilnehmen zu koennen, benoetigt man ein spezielles Client-Programm,
das (bisher) nicht zum Umfang gaengiger Internet-WebBrowser gehoert. Einige
"Channels" sind ausserdem nicht oeffentlich zugaenglich, man muss sich dann
erst elektronisch einladen lassen, um teilzunehmen. Innerhalb eines Channels
koennen sich zwei oder mehr Teilnehmer aus dem allgemeinen Gespaech ausklinken
und in einem eigenen "Chat-Raum" eine ungestoerte Unterhaltung fuehren.
Die Begriffe "eine Unterhaltung fuehren" oder "zuhoeren" sind technisch gesehen
missverstaendlich: Das "Gespraech" erfolgt durch Eingabe von Text ueber die
Tastatur, der allen anderen "Gespraechsteilnehmern" entsprechend angezeigt
wird. Inhaltlich treffen die Begriffe aber durchaus zu: Chatten ist fluechtig
wie gesprochene Sprache, auch wenn es noch eine Weile auf dem Monitor zu lesen
und auch abzuspeichern ist: Chat ist Small Talk mit etwa 60 Leuten
gleichzeitig.[165] Der Kontakt steht im
Vordergrund, Lebenshilfe von Mensch zu Mensch, handfeste sexuelle Interessen
und die Vorbereitung von IRC-Partys[166].
Den angegebenen IRC-Kanaelen kommt nach Beobachtung der dort besprochenen
Themen als Medium der politischen Schwulenbewegung bisher eine
vernachlaessigbare Bedeutung zu. Allerdings sind Schwulenbewegte unter ihrem
bekannten "Nickname" oft "idle", also im Hintergrund und ohne aktive Teilnahme
an den Gespraechen, auf dem IRC-Server eingeloggt, so dass andere sie
ansprechen und zu einer Diskussion in einem privaten Chat-Raum auffordern
koennen. Dies ersetzt in vielen Faellen teure Ferngespraeche, da ja nur die
Telefongebuehren bis zum Internet-Provider (und evtl. eine geringe Gebuehr fuer
die Online-Zeit an den Provider) gezahlt werden muessen.
Um das Problem der Software-Beschaffung und Konfiguration zu umgehen, wurde ICE
(Internet Chat Exchange) eingefuehrt, der eine Schnittstelle zum IRC innerhalb
eines Fensters JAVA-faehiger Web-Browser herstellt. Dieses System nutzt unter
anderem das Herzenslust-Team zur Online-Beratung zusaetzlich zum IRC-Angebot;
Ziel ist ein Art "virtuelle AIDS-Hilfe". Schon jetzt kommen pro Woche zu drei
bis vier persoenlichen Beratungen in der Geschaeftsstelle 15 bis 20 e-Mail- und
Chat-Kontakte.[167]
Die Beurteilung von IRC und ICE als Medien der Schwulenbewegung bleibt
uneinheitlich. Noch scheint das Potential des IRC nicht erschoepfend genutzt zu
werden, was vor allem in Zusammenhang mit den technischen Eintrittsbarrieren
des IRC stehen koennte. ICE bietet noch keinen vollwertigen Zugang, da der
Austausch zum Teil so verzoegert ablaeuft, dass eine durchgaengige Diskussion
oft nicht moeglich ist. Sicherlich werden sich diese technischen Maengel
zukuenftig zu beheben sein.
Kennzeichen medial-versetzter Kommunikation ist die Differenz von Zeit und Ort der Interaktionsbeitraege. Klassisches Beispiel dafuer ist die briefliche Konversation.
Zu
den negativen Auswirkungen von Anrufbeantwortern wurde bereits unter dem
Stichwort Telefon hingewiesen.
InfoLines[168] verbinden den Anrufer meist
mit automatischen Bandansagen, die aktuelle Informationen wie etwa
Veranstaltungstermine, Oeffnungszeiten oder Anfahrtbeschreibungen vermitteln.
Nicht in allen Faellen ist am Ende der Ansage auch die Moeglichkeit gegeben,
eine Nachricht zu hinterlassen. Gerade bei personell schwach besetzten
Initiativen und Gruppen ist eine solche Informationsvermittlung anzutreffen,
aber auch hier ist eine Verdraengung durch Internet-gestuetzte
Informationsvermittlung zu beobachten.
FaxLines und Telefaxe dienten bis vor kurzem insbesondere fuer die politische
Lobby- und Pressearbeit der verschiedenen Gruppen und Verbaende, wie sich im
Begriff der "Faxgeraete-Lobby" fuer den SVD zeigt. Durch die zunehmende
Akzeptanz der e-Mail-Kommunikation gerade im Bereich der Presseredaktionen, wo
sich der Vorteil der direkten Uebernahme von Passagen elektronisch versandter
Presseerkaerungen ergibt, wird die Telefaxkommunikation zunehmend auf die
Faelle beschraenkt, in der ein optischer Eindruck mit vermittelt werden muss.
Hier ist zu erwarten, dass durch die Moeglichkeit, Bilddateien an e-Mails
anzuhaengen, auch dieser Bereich zukuenftig staerker digitalsiert wird.
Fuer kleinere Gruppen und Verbaende stellt sich aber noch das Problem
ausreichender Autorisierung ihrer e-Mails (vgl. dazu unter e-Mail)
Die
bereits mehrfach erwaehnte "Faxgeraetelobby" der Schwulenbewegung ist laengst
eine globale "e-Mail-Lobby" geworden,[169]
wie bereits unter dem Punkt Telefax dargestellt wurde: Kein anderes Medium
verbreitet Informationen weltweit so schnell und so kostenguenstig wie das
Internet.
Allerdings gibt es hier Unterschiede zwischen der Binnen- und
Aussenkommunikation: Da e-Mails in vielen Zusammenhaengen noch mit dem Problem
hinreichender Autorisierung behaftet sind, werden sie (z.B. von ILGA, IAL/GPC,
EPOA) primaer zur Binnenkommunikation, also zur Verteilung von Informationen
(Veranstaltungstermine, Pride Calendar, Boykottaufrufe) an Mitglieder
verwendet, denen die Absenderadresse bekannt ist. Mitteilungen nach aussen
werden dann von den verschiedenen angemailten Organisationen und
Einzelmitgliedern in Faxe oder Briefe umgesetzt und - mit klarer und bekannter
Autorenschaft versehen - an die lokale Presse und an Politiker
weitergeleitet.[170]
Verschiedene Moegichkeiten des Datenaustausches werden genutzt: Persoenliche
E-Mail mit individueller oder standardisierter Antwort; Autoresponder-Files,
die ein automatisches e-Mail-Polling ermoeglichen, indem einfach eine leere
e-Mail oder eine e-Mail mit einem bestimmten "Subject" (Titelzeile) an die
angegebene e-Mail-Adresse geschickt wird, woraufhin dann die gewuenschten
Informationen umgehend als Reply (oft in Form gepackter, also durch spezielle
mathematische Verfahren in der Datenmenge reduzierter "zip"-Files) an die
eigene e-Mail-Adresse versandt wird; e-Mail-Infodienste, die regelmaessig
aktuelle Informationen zu einem Thema (wie z.B. Neuigkeiten aus der
Schwulenbewegung in Deutschland) zusammenstellen, und bei denen man sich unter
Angabe der eigenen E-Mail-Adresse mit "subscribe" bzw. "unsubscribe" leicht an-
bzw. abmelden kann.
Immer mehr Gruppen geben mittlerweile e-Mail-Adressen als Kontaktmoeglichkeit
an und unterhalten auch eigene Infodienste zu speziellen Themen oder auch nur
fuer die Bekanntgabe der Gruppentermine und -Aktivitaeten. Dies duerfte eine
bessere Informationsrezeption erwarten lassen als eine statische http-Adresse,
die von den Gruppenmitgliedern oder Interessierten immer wieder aufs neue
angewaehlt werden muss, so dass zu erwarten ist, dass nie alle auf gleichem und
aktuellen Informationsstand sind. Gerade fuer vernetzte Gruppen oder fuer
Gruppen, die nicht auf eine hohe Rezeption ihrer Flyer und Plakate setzen kann,
empfehlt es sich, diesen Bereich ihrer Oeffentlichkeitsarbeit zu
intensivieren.
Allerdings ist hierbei zu beachten, dass es dabei auch Akzeptanzprobleme geben
wird, weil mit der Uebermittlung und dem Einverstaendnis zum Speichern der
e-Mail-Adresse die von vielen im Internet gesuchte Anonymitaet durchbrochen
wird. e-Mail-Information darf also nicht die einzige Form der
Informationsvermittlung sein.
Newsgroups
sind elektronische Pinwaende, an denen jeder Nachrichten hinterlassen oder auf
andere Nachrichten antworten kann. Die gaengigen Internet-Browser unterstuezen
diese Funktion. Allerdings gibt es mehrere tausend verschiedene Newsgroups, auf
die ein Zugriff moeglich ist, darunter auch so exotische wie
"alt.fan.noam-chomsky". Manche Newsgroups werden zwar gelistet, aber nicht oder
nur selten frequentiert. Eine Hilfestellung zur Vorselektion geben bestimmte
Namensbestandteile: "alt" steht fuer "alternative", "bin" fuer "binaries" (hier
finden sich unter anderem Bilddateien), "sex" fuer sich selbst, "soc" fuer
"society", "motss" fuer "members of the same sex", und "de.alt.gblf"
schliesslich steht fuer "deutsch-adult-gay-bi-lesbian-friends". Fuer manche
Newsgroups finden sich im WWW sogenannte "charter", in denen man Angaben zu
erlaubten Inhalten und Regularien nachlesen kann.
Durch sogenannte "crossposts", also das Versenden eines Beitrags an mehrere
Newsgroups gleichzeitig, gelangt sowohl mal das ein oder andere erotische Bild
in eine Diskussionsgruppe, aber es werden auch Diskussionsbeitraege in
unterschiedliche Themenzusammenhaenge (Schwule, Religion, Gesellschaft,
Medizin) gestellt, was manchmal besonders interessante Meinungen zutage
foerdert.
Neben den hier angegebenen, eher auf inhaltliche Diskussionen ausgerichteten
schwulen Newsgroups gibt es solche zum Tausch erotischer oder pornografischer
Bilder, zur HIV-Praevention und Aids-Selbsthilfe und auch ganz einfach zur
Kontaktanbahnung (fuer Mitfahrgelegenheiten, Sex und Beziehung gleichermassen).
Auf verschiedenen schwulen Homepages liest man anruehrende Geschichten ueber
schwule Paare, die sich tatsaechlich durch Newsgroupkontakte kennen- und
liebengelernt haben.
Von den folgenden Newsgroups ist fuer Diskussionen, die sich mit Themen der politischen Schwulenbewegung in Deutschland auseinandersetzen, besonders news:de.alt.gblf hervorzuheben.
Primaeres
Kennzeichen massenmedialer Kommunikation ist, dass sich die Beteiligten auf
beiden Seiten der Interaktion nicht oder nur sehr vage kennen. Dies ist beim
Fernsehen ebenso der Fall wie bei der Tageszeitung, und auch bei einer
Theateraffuehrung trifft dieses Kriterium zu. "Masse" charakterisiert also
nicht in erster Linie eine besonders grosse Anzahl, sondern eine unbekannte
Menge.
Gerade in Bezug auf die Einordnung der Homepages im WorldWideWeb ist eine
solche Definition hilfreich, aber auch bei Selbsthilfeblaettern, die in
aeusserst kleiner Auflage produziert und an einen kleinen, aber in den
Teilnehmern unbestimmten Personenkreis verteilt werden, bietet sie sich an.
Plakate
und Flyer sind als Informationsmedien nach wie vor attraktiv, aber sie
verlangen neben einer auffaelligen Gestaltung den direkten Kontakt vor Ort. Auf
die Rezeptionssituation in den schwulen Kneipen wurde bereits eingegangen;
aehnlich verhaelt es sich an anderen Orten schwuler Subkultur. Hunderte von
Flyern werden im Ruhrgebiet besonders gerne unter die Scheibenwischer der Autos
geklemmt, die im naeheren Umkreis schwuler Diskoveranstaltungen parken; diese
Moeglichkeit ist in Metroplolen wie Berlin und Koeln nur eingeschraenkt
gegeben, weil hier dem oeffentlichen Personennahverkehr eine groessere
Bedeutung zukommt. Vielfach werden Flyer daher auch am Ein- oder Ausgang
verteilt.
Infomaterial der AIDS-Hilfen und schwul-lesbischen Gruppen findet sich in den
Schriftenstaenden, die an fast allen Orten schwuler Subkultur zu finden sind.
Ein Negativaspekt, der diesbezueglich immer wieder bei vielen schwulen
Diskoveranstaltungen ins Auge faellt, ist die Tatsache, dass die
Schriftenstaende dort lange vor Ende der Veranstaltung abgebaut werden. Da
viele der Infobroschueren aber ein unhandliches Format haben, das man nicht die
ganze Nacht beim Tanzen mit sich herumtragen kann, verpufft hier viel guter
Wille zur Information ganz einfach ungenutzt.
Schwule
Printmedien lassen sich in vier Kategorien unterteilen:
Erstens das "Selbsthilfeformat", kopierte oder in geringer Auflage gedruckte,
lokale Informationsmedien von Initiativen und Gruppen, die vor allem ueber die
Gruppe sowie ueber die Szene und die verschiedenen Veranstaltungen vor Ort
berichten.
Zweitens das "Infoformat", mit dem monatlich erscheinende, im Rotationsdruck in
hoher Auflage auf Zeitungspapier gedruckte und in der Szene kostenlos
ausliegende Medien bezeichnet werden sollen. Diese Zeitungen finanzieren sich
durch kommerzielle Anzeigen, und ihre Attraktivitaet entspringt oft mehr dem
umfangreichen Kontaktanzeigenteil denn einem besonderen redaktionellen
Niveau.[171] Einige davon sind mittlerweile
im Verbund der "GayCombi" vernetzt.
Drittens das "Hochglanzformat", das dem Konzept aufwendiger Lifestylemagazine
folgt und zu einem entsprechend hohen Preis (ueber DM 10,-) vor allem im
Bahnhofsbuchhandel erhaeltlich ist. Politik ist Nebensache, kommt aber immerhin
vor, ein umfangreicher Kontaktanzeigenteil fehlt nicht.
Viertens das "Pornoformat", das in seinen Darstellungen eindeutig homoerotische
und homosexuelle Phantasien anspricht bzw. illustriert und daher nur in
Pornoshops oder Pornoecken einschlaegiger Buchhandlungen zu finden ist. Bei den
deutschen Magazinen erfreuen sich wiederum die Kontaktanzeigen grosser
Beliebtheit, aber es sind auch eine Reihe auslaendischer Magazine im Handel -
ein Bild sagt eben mehr als tausend Worte.
Fuer die Verbreitung von Informationen aus der Schwulenbewegung hat letzlich
vor allem das "Infoformat" eine herausragende Bedeutung. Das Hochglanzformat
hat zwar eine breitere, auch subkulturferne Leserschaft, aber wegen der
erheblich aufwendigeren drucktechnischen Verarbeitung liegt der
Redaktionssschluss meist so weit vor dem Erscheinungstermin, dass die
Informationen nicht den aktuellsten Stand wiedergeben koennen.
Infoformat | Box Down-Town First Hinnerk Queer Rosa Zone Siegessaeule Zauberfloete |
Hochglanzformat | Adam andersrum Du&Ich MaennerAktuell |
Pornoformat | Cock Homoh |
Schwule
Radiosendungen finden sich in nahezu allen Buergerfunk-Kanaelen (vgl. Abb. 10).
Sie werden meisten ein- oder zweimal im Monat ausgestrahlt und bieten in einem
meist einstuendigen Format neben Unterhaltung, Klatsch und Tratsch vor allem
Features, Interviews und Berichte aus der schwulen Szene, den Vereinen und
Gruppen und der Lokalpolitik, soweit sie schwul-lesbische Themen beruehrt.
Ausserdem wird eine Auswahl der aktuellen Veranstaltungstermine verlesen.
Neuerdings wird die Reichweite und zeitliche Verfuegbarkeit der Sendungen
dadurch gesteigert, dass sie auch mit dem kostenlosen
"RealAudioPlayer"-Software im Internet im Originalton abrufbar sind (z.B.
PinkChannel Duisburg).
Die Radiomacher sind in der "AG schwullesbisches Radio" vernetzt.
Bochum | DIN Viereinhalb |
Dortmund | Homo Laber |
Duesseldorf | Die Rosa Mikrowelle |
Duisburg | Pink Channel |
Essen | Radio Rosa Rauschen |
Gelsenkirchen Bottrop Gladbeck | "ELA-Emscher-Lippe-Andersrum |
Hamm | Rosa Engel Radio |
Koeln | Ludwig, das Zweite |
Moenchengladbach | Maenner Funken |
Muenster | Rosa Welle Muenster |
Oberhausen/Muehlheim | Blitz und Kids |
Paderborn | Radio Schrillkoerper |
Siegen | Schwule Radiogruppe Siegen |
Soest | Radio Magermilchbande |
Steinfurt | Rosa Welle Steinfurt |
Warendorf | Schwules Radio Warendorf |
Der
Begriff "WorldWideWeb" (WWW, W3) umfasst in etwa das, was gemeinhin unter "Internet" verstanden wird:
1 | Bear Ring (322 sites) |
2 | Links Of Sex |
3 | Chains of Love |
4 | Loving D/s |
5 | EuroSwing - The European Swingers |
6 | Rainbow Spirituality Webring |
7 | Ring of Male Exhibitionists |
8 | Fine Art Nude PhotographySMaQ Ring |
9 | Gay, Lesbian, Bisexual, & Transgendered |
10 | Swedish GayRing |
11 | Disabled Veterans of America WebRing |
12 | TOTALLY COOL QUEER SITES
(25 sites, awarded sites only) |
13 | Out and Proud! (31 sites) |
14 | Global TransGendeRing |
15 | The Progressive Politics WebRing |
16 | Global-House The Ring |
17 | The Scuba Ring |
18 | Herbs and Herbal Products |
19 | The Zoo Ring |
20 | Interdependent WebringWebCircle |
21 | Internet Romance Ring |
22 | WebWomyn Ring |
23 | WestHollywood Ring (329 sites) |
24 | Ivory |
25 | (The) Leather Ring |
26 | Lesbianmoms & Gaydads United! |
- | (Quelle: soc/gay.html) |
27 | Gay Skinhead Ring |
28 | Gay S&M Ring |
29 | QueerRing |
30 | SMaQRing |
31 | The Rubber Ring |
- | (Quelle: the_ring.html) |
Es
handelt sich dabei um die Analyse der obigen Aufstellung von WebRings (Abb. 11), die mit der cgi-Technik[176] von Sage Weil[177] arbeiten:
Gesamtzahl der WebRings: 1.644, davon im Bereich "Society and Culture" 187
Rings, davon mit schwul-lesbischem Inhalt: 26 (31) Rings. Das sind nur 1,6 %
der Gesamtringzahl, aber immerhin 13,9 % innerhalb dieser speziellen
Kategorie,[178] in der eine
schwule oder lesbische Identitaet ueberhaupt nur von Interesse sein kann.[179] Verallgemeinert man die darin enthaltene
Aussagen auf alle Angebote des WWW, so sind spezifisch schwule und lesbische
Themen (Schwule und Lesben wohl zusammen etwa 15 % der Erdbevoelkerung) nicht
signifikant unter- oder ueberrepraesentiert.
Eine oft genutzte Moeglichkeit, Kontakte mit der schwulen Welt zu knuepfen,
sind die privaten Homepages und Websites schwuler Internet-Enthusiasen. Die
meisten bieten ein paar persoenliche Informationen ueber den Inhaber der Seite,
meistens eine rechhaltige Auswahl erotische Fotos und immer viele "Links"[180] zu anderen Homepages, aber auch zu
informativen Netsites von AIDS-Hilfen und schwulen Gruppen, so dass sich
mancher "Zufallstreffer" auf deren Seiten ergibt.[181]
Viele Schwule haben eine (kostenlose) Homepage beim Internetdienst GeoCities:
Die "WestHollywood Neighbourhood", benannt nach dem bekannten Schwulenviertel
in Los Angeles, sieht sich als eine "community with a culture based on gay and
lesbian identity".[182] In
Deutschland ist ausserdem der "gay-web"-Verbund entstanden, der zum einen als
Internetprovider auftritt und zum anderen unter http://www.[Stadt].gay-web.de
aktuelle Informationen zum schwulen Leben in der betreffenden Stadt
bereithaelt. Die oben angegebenen schwulen Web-Rings erlauben in letzter Zeit
ein noch zielgerichteteres "surfen" oder "cruisen" im WWW. Einen deutschen
"Bewegungs-Ring" oder "Queer-Movement-Ring" gibt es aber bisher nicht.
So muss man auf die Internet-Suchdienste ausweichen, will man ein bestimmtes
Thema, etwa schwule Politik, finden. Die Suchdienste unterscheiden sich in
solche, die nur eine Stichwortsuche zulassen, und solche, die auch eine
thematische Suche zulassen.
Unter
"WebSites" sollen hier umfangreichere Informationsangebote im W3 gesehen
werden, die vor allem von den schwulen Organisationen und den AIDS-Hilfen
angeboten werden.
Hierzu zaehlen http://www.schwule.org (noch im Aufbau),
http//www.herzenslust.org,
http://aids-hilfe-nrw.de (im Aufbau),
http://www.deutsche-aidshife.de, http://www.macman.org, http://www.eurogay.net,
http://www.waldschloesschen.org, http://www.gaysport.org, um nur einige wenige
zu nennen.
Die URLs[183] werden in eigenen
Print-Publikationen, in Anzeigen, auf Flyern und Plakaten angegeben und sind
auch bei den Internet-Suchdiensten zu finden. Ausserdem gibt es, wie erwaehnt,
Links auf zahlreichen privaten Homepages sowie in den E-Zines.
Schliesslich soll zu noch einmal darauf hingewiesen werden, dass auch andere
Bewegungen das Internet bereits nutzen. Das Beispiel des FrauenInternetProjekts
Hamburg soll dies verdeutlichen:
e-Zines
sind elektronische bzw. digitale Magazine, die im WWW abrufbar und durch das "electronic publishing" aeusserst kostenguenstig und aktuell zu publizieren
sind.
Als schwule e-Zines haben sich besonders Manbase.Com und
EuroGay.Net etabliert. Beide bieten staendig
aktualisierte News aus Politik und Szene, dazu Geschichten und Unterhaltung,
Aufklaerung, erotische Fotogalerien, umfangreiche Link-Listen und vieles
mehr.
Zum einjaehrigen Bestehen schreiben die Macher von EuroGay.Net ueber ihre
Arbeit:
Ausgehend
von dem Bezugsrahmen einer "anthropologischen Kommunikationstheorie"
konnte unter Verwendung einer eigenen Definition des Begriffes schwuler
"Subkultur" als "Infrastruktur einer schwulen Teilgesellschaft" und unter
Beruecksichtigung der Ziele und der Geschichte homosexueller "Bewegung" eine
umfassende und detailierte Beschreibung und Analyse schwuler
Kommunikationsmittel und -kanaele gegeben werden, die an vielen Stellen
Verweise zu anderen wissenschaftlichen Konzepten und Theorien zur Absicherung
und Einordnung der Beobachtung, aber auch zur Verfolgung durch weitere
Forschungsarbeit gibt.
Aus dieser "Ethnographie" schwuler Kommunikation wurden diejenigen Bereiche
besonders herausgestellt, in denen sich kommunikative Strukturen der
schwulenpolitischen Bewegungsarbeit manifestieren.
Eine besondere kommunikative Bedeutung haben demnach Schwulenreferate,
Diskussionsveranstaltungen und Kongresse, Communities, Gruppen, sowie
e-Mail-Infodienste, Newsgroups, Flyer und Printmedien im Infoformat.
Homepages, WebSites und auch Stadtmagazine haben fuer die Bewegung nur eine
Fliegenfaenger-Funktion, ueber die ein erster Kontakt mit den Gruppen
hergestellt wird.
Schwulenreferate, Diskussionsveranstaltungen, Kongresse, Communities und
Gruppen verbindet der Vorteil der Face-to-face-Kommunikation, die eine
aeusserst schnelle und diskursive Kommunikation zulaesst und durch das
gemeinsame Erleben der Situation auch eine identitaetsstiftende Wirkung auf die
Interaktionsteilnehmer ausuebt. Nachteil ist, dass fuer die Teilnahme zum Teil
weite Wege zurueckgelegt werden muessen, wodurch einige von der Interaktion
ausgeschlossen werden.
e-Mail-Infodienste bieten den Vorteil, alle Teilnehmer auf einen gleichen und
aktuellen Informationsstand zu bringen, wozu diese nicht erst selbst aktiv
werden muessen. Nachteil ist wie bei anderen elektronischen Medien auch, dass
eine technische Ausstattung beim Empfaenger vorhanden sein muss. Dies schliesst
auch hier viele von der Interaktion aus.
Flyer sind zwar sehr aufmerksamkeitsstark, besonders wenn sie an Autoscheiben
kleben, haben aber den Nachteil, dass sie nur an bestimmten Orten und zu
bestimmten Zeiten verteilt werden. Auch hier werden von vorneherein viele
Kontakte ausgeschlossen. Ausserdem ist oft eine regelrechte Flyerflut zu
beobachten, was zur Folge hat, dass letzlich alle ungelesen im Muell oder auf
dem Boden landen.
Die Printmedien im Infoformat haben zum Vorteil, dass sie kostenlos sind, einen
hohen Aufmerksamkeitsgrad durch die Kontaktanzeigen und Veranstaltungstermine
erfahren und dass sie an dem Ort und zu der Zeit gelesen werden koennen, der
dafuer jeweils geeignet erscheint. So ist zu erwarten, dass schon durch
einfaches Durchblaettern die Aufmerksamkeit auf das ein oder andere
schwulenpolitische Thema gelenkt wird, wogegen man bei e-Zines aufgrund des
Uebertragungsvorganges sicherlich nur die Seiten anwaehlen wird, die auch
wirklich interessieren.
Der fuer die Kommunikation innerhalb der Schwulenbewegung in letzter Zeit aus
verschiedenen Gruenden vernachlaessigte Punkt der direkten Kommunikation soll
im folgenden noch einmal gesondert angesprochen werden:
Direkte Kommunikation erlaubt Diskursivitaet. Diskursivitaet erlaubt gemeinsame
Zielbildung, und gemeinsame Zielbildung ist die Grundvoraussetzung fuer die
Bildung funktionsfaehiger Organisationen. Wie zu beobachten war, liegt hierin
eines der groessten kommunikativen Probleme der heutigen Schwulenbewegung: Es
werden oft nur noch Informationen ausgetauscht oder abgerufen, und zwar meist
auf elektronischem Wege ueber e-mail-Poll oder auf WebSites, aber auch in Form
ausgelegter Infobroschueren und kostenloser Infoformat-Zeitungen.
Durch die damit einhergehende Abnahme direkter Kommunikation, die auch aus der
erwaehnten Meidung des Telefonierens und aus den dargestellten Effekten der
zunehmenden Ausdifferenzerung der Subkultur auf die Face-to-face-Kommunikation
resultieren, wird eine diskursive Zielformulierung der Schwulenbewegung
zusaetzlich zu den in der Einleitung angesprochenen Hindernissen erschwert.
Zwei komplementaere Loesungswege bieten sich an:
Abb. 1: Schwule Taschentuchcodes (Hanky Codes) 1
Abb. 2: Schwule Taschentuchcodes (Hanky Codes) 2
Abb. 3: Schwule / schwul-lesbische Diskoveranstaltungen im Aktionsradius Ruhrgebiet
(ohne Feten in Muenster und Koeln, ohne Frauen- und Lesbenschwoofs)
Abb. 4: Die Schwulen- und Lesbenbewegung im Ruhrgebiet - ein Ausschnitt
Abb. 5: CSD-Veranstaltungen in Deutschland 1997
Abb. 6: Telefon- und Mailboxen fuer Schwule
Abb. 7: Schwule IRC-Channels (Auswahl)
Abb. 8: Schwule Newsgroups (Diskussionen)
Abb. 9: Schwule Printmedien
Abb. 10: Schwul-lesbische Radiogruppen in NRW
Abb. 11: RingWorld Society and Culture: Gay and Lesbian Rings
Abb. 12: Schwul-lesbische Internetsuchdienste im WWW
(Ende der Bearbeitung).